Hands on - Manuelle und Physikalische Therapien in der Tiermedizin 2020; 2(02): 57
DOI: 10.1055/a-1147-4920
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Zwischen Wollen und Tun

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Sich fokussieren, Prioritäten setzen, Emotionen antizipieren, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Erkennen des tieferen Sinns unserer Tätigkeit steigern die Umsetzungskompetenz. Quelle: Kirsten Oborny, Thieme Gruppe

Nun haben wir sie – Zeit. Wenn auch vielleicht nur unfreiwillig im Rahmen einer Corona-bedingten Kurzarbeit, aber trotzdem einmal Zeit, zuhause das zu tun, was wir schon die ganze Zeit tun wollten: den Keller aufräumen, den Kleiderschrank ausmisten oder die Urlaubsfotos der letzten 10 Jahre sortieren.

Im Prinzip ist also eigentlich alles da, was man braucht, um sich als motiviert zu bezeichnen: „Eine Gesamtheit von Motiven, die zu einer Handlungsbereitschaft führen (…), und das Streben (…) nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten.“ (Wikipedia)

Voll motiviert!

Inzwischen sind dann jedoch einige Tage vergangen, passiert ist allerdings – nichts. Warum? Ganz einfach: Mangel an Kompetenz. Um genau zu sein, an Umsetzungskompetenz – der Volition (lat. velle, wollen). Neurologisch gesehen bedarf es also über die Motivation hinaus weiterer Prozesse, um die angestrebten Ziele auch zu realisieren. Hier haben die kleinen grauen Zellen wohl ein Eigenleben.

Bereits 1964 beschrieben die Hirnforscher H. H. Kornhuber und L. Deecke das Bereitschaftspotential. Diese Aktivität von Neuronen ist in der Großhirnrinde ca. 500 ms vor einer willkürlichen Bewegung messbar Die subjektiv erlebte Entscheidung zu einer willkürlichen Bewegung entsteht dagegen erst 200 ms vor dieser Bewegung. Bereitschaftspotentiale sind demnach vorweggenommen, antizipiert. Die Frage des freien Willens ist demnach gar nicht so einfach zu beantworten. Trotzdem besteht Grund zur Hoffnung, denn durch Selbstregulation ist die Umsetzung des Wollens in die Tat durchaus beeinflussbar.

In der Praxis müssen wir für den Therapieerfolg nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Patienten und deren Besitzer zur Mitarbeit motivieren. Es lohnt sich, volitions-psychologische Erkenntnisse nicht nur bei Sportpsychologen oder der Managementebene von großen Unternehmen zu bestaunen, sondern diese auch in die eigene praktische Arbeit einfließen zu lassen.

Müssen wir nur wollen?

Um den „Wirkungsgrad des Wollens“, wie es der Psychologe Narziß Ach genannt hat, zu erhöhen, sollten bestimmte Fähigkeiten trainiert werden. Eine zentrale Rolle spielt die Fähigkeit, sich zu fokussieren, und Prioritäten zu setzen. Ebenso wichtig: das eigene und auch das Energieniveau des Gegenübers erhöhen zu können. Gelingt es dem Therapeuten, seine eigenen und die Emotionen des Gegenübers zu antizipieren, kann man sich selbst und andere in eine positive Gefühlslage versetzten. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und eine vorausschauende Planung sind ebenso essenziell. Die Fähigkeit zur pro-aktiven, kreativen Problemlösung, das Erkennen von einem tieferen Sinn der Tätigkeit und nicht zuletzt das Vermögen, Durchzuhalten bis Ergebnisse vorliegen, erhöhen die Chance, dass aus den verfassten Plänen auch Taten werden.

Die Belohnung kommt mit dem guten Gefühl, nicht nur eigene Pläne in die Tat umsetzen zu können, sondern auch durch ein besseres Engagement der Tierbesitzer einen größeren Therapieerfolg für unsere Patienten zu erzielen.

Dr. Doris Börner



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Article published online:
24 June 2020

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