CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(06): 611-618
DOI: 10.1055/a-1160-5569
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit

Langfristige Inzidenz- und Mortalitätstrends für Brustkrebs in Deutschland

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Joachim Hübner
1   Institute of Social Medicine and Epidemiology, University of Lübeck, Lübeck, Germany
,
Alexander Katalinic
1   Institute of Social Medicine and Epidemiology, University of Lübeck, Lübeck, Germany
2   Institute for Cancer Epidemiology, University of Lübeck, Lübeck, Germany
,
Annika Waldmann
1   Institute of Social Medicine and Epidemiology, University of Lübeck, Lübeck, Germany
3   Hamburg Cancer Registry, Hamburg, Germany
,
Klaus Kraywinkel
4   German Centre for Cancer Registry Data (ZfKD), Robert Koch Institute, Berlin, Germany
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Einleitung Änderungen bei den Risikofaktoren und das 2005 eingeführte Mammografie-Screening bedingen eine hohe Dynamik der brustkrebsassoziierten Krankheitslast in Deutschland. Ziel der Studie ist die Untersuchung langfristiger krankheitsbezogener Inzidenz- und Mortalitätstrends bei Frauen in Ost- und Westdeutschland seit der Wiedervereinigung.

Methoden Gesamt- und stadienspezifische Inzidenzraten wurden basierend auf den Daten ausgewählter Krebsregister untersucht. Daten mit hinreichender Vollzähligkeit seit 1995 standen für 4 ostdeutsche und 3 westdeutsche Regionen zur Verfügung. Werte für Gesamtdeutschland wurden populationsgewichtet aus den Raten für Ost- und Westdeutschland errechnet. Besonders betrachtet wurden 3 Altersgruppen: Frauen mit Anspruch auf das Mammografie-Screening (50 – 69 Jahre), jüngere Frauen (30 – 49 Jahre) und ältere Frauen (70+ Jahre). Alle Raten wurden altersstandardisiert. Entsprechend wurden Mortalitätsraten aus der amtlichen Todesursachenstatistik seit 1990 aufbereitet.

Ergebnisse Im Beobachtungszeitraum kam es zu einem Inzidenzanstieg, der durch die vermehrte Diagnose früher Stadien in der Screening-Altersgruppe geprägt ist. In dieser Gruppe stieg die Gesamtinzidenz unter Einschluss der nichtinvasiven Brustkrebsfälle von 2005 bis 2016 um 14,5%. Frühe Stadien (UICC 0 und I) nahmen um 48,1% zu, während Spätstadien (UICC III und IV) um 31,6% zurückgingen. In den anderen Altersgruppen kam es zu qualitativ ähnlichen Veränderungen, die jedoch weniger stark ausgeprägt waren. Der seit Mitte der 90er-Jahre zu beobachtende Rückgang der Brustkrebssterblichkeit endete bei den jüngeren Frauen um 2008, während er sich in der Screening-Altersgruppe fortsetzte. Bei älteren Frauen kam es nach 2008 zu einem Anstieg. Ost-West-Unterschiede bei der Krankheitslast (zugunsten Ostdeutschlands) nahmen bei den jüngeren Frauen im Beobachtungszeitraum ab, während sie bei den älteren Frauen eher zunahmen.

Schlussfolgerung Die Analyse legt nahe, dass die Einführung des Mammografie-Screenings zum Rückgang der Inzidenz fortgeschrittener Brustkrebsstadien und der Brustkrebsmortalität beigetragen, aber auch eine substanzielle Zahl von Überdiagnosen verursacht hat. Relativ ungünstige Inzidenztrends bei jüngeren Frauen, insbesondere in Ostdeutschland, sind vor dem Hintergrund von Lebensstiländerungen zu interpretieren. Die beobachtete leichte Zunahme der Mortalität bei älteren Frauen seit 2008 bedarf eingehenderer Analysen.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 07. Januar 2020
Eingereicht: 15. April 2020

Angenommen: 17. April 2020

Artikel online veröffentlicht:
17. Juni 2020

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