Psychiatr Prax 2020; 47(04): 221-227
DOI: 10.1055/a-1160-9091
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lektüren in Zeiten von Corona

Rezensent(en):
Ulrike Hoffmann-Richter
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. April 2020 (online)

Ein Essay mit Rezensionen

Corona-Zeiten verändern vieles, auch Lesegewohnheiten. Bei den einen sorgen sie für Unruhe, sodass es ihnen trotz ungewohnt viel unstrukturierter Zeit schwerfällt, die notwendige Konzentration aufzubringen und sich auf eine Lektüre einzulassen. Den andern hilft gerade die Fokussierung auf ein Buch, das durchaus auch umfangreich sein darf, mit der Verunsicherung zurechtzukommen, die die Pandemie auslöst. Das ausgebremste bis stillgelegte gesellschaftliche Leben führt zur Wahrnehmung, eine neue Zeitrechnung betreten zu haben: Nach dem ersten ungläubigen Staunen, Erschrecken oder Nichtwahrhabenwollen (es kann sich nur um einen Spuk handeln), stellt sich die Erwartung ein, der Zustand müsse bald wieder vorbei sein. Dabei ist längst klar, dass die Realität eine andere geworden ist. Zuvor Selbstverständliches ist außer Kraft gesetzt, ob es, und wenn je, wann wieder Gültigkeit erlangen wird, ist ungewiss. Real ist einzig die Gegenwart. Zur räumlichen Distanz tritt eine zeitliche Isolation hinzu. Das Gefühl der Bedrückung und der Lähmung stellt sich ein. Episodisch steigen Ängste und ein Gefühl des Unheimlichen auf.