Intensivmedizin up2date 2021; 17(03): 355-375
DOI: 10.1055/a-1178-4085
Neuro-Intensivmedizin

Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls

Laurent M. Willems
,
Patrick F. Samp
,
Waltraud Pfeilschifter

Die klinische Schlaganfallforschung hat in den letzten 20 Jahren beachtliche Erfolge erzielt, wodurch heute deutlich mehr Patienten eine wirksame Akuttherapie erhalten. Meilensteine dieser Entwicklung waren die Etablierung der i. v. Thrombolyse, die Ausweitung des Zeitfensters für die Thrombolyse auf 4,5 h, die Einführung der mechanischen Thrombektomie und die Patientenselektion durch Mismatch-Bildgebung. Damit gehört die Akuttherapie bei Schlaganfall zu den Feldern der Notfallmedizin mit der stärksten Wirksamkeitsevidenz.

Kernaussagen
  • Der akute ischämische Schlaganfall (AIS) stellt einen akuten neurologischen Notfall dar, der unverzüglich der weiterführenden Diagnostik und Behandlung bedarf.

  • Die i. v. Thrombolyse (IVT) innerhalb eines sicheren Zeitfensters ≤ 4,5 h nach Symptombeginn stellt die Basis der akuten Schlaganfalltherapie dar. Eine IVT in einem Zeitfenster von bis zu 9 h kann individuell bei kleinem Infarktkern und rettbarem Gewebe (Penumbra) erwogen werden.

  • Bei Schlaganfällen mit unklarem Zeitfenster oder aus dem Erwachen („Wake-up Stroke“) sollte als Primärbildgebung ein MRT mit Diffusion zur Ermittlung des DWI-FLAIR-Mismatchs erfolgen. Alternativ kann auch auf ein CT mit Perfusionssequenz zurückgegriffen werden. Patienten mit DWI-FLAIR-Mismatch oder kleinem Infarktkern umgeben von rettbarer Penumbra sollten eine IVT erhalten.

  • Bei proximalem Großgefäßverschluss stellt die angiografiegestützte mechanische Rekanalisation unter oder nach IVT eine etablierte und risikoarme Therapiemethode dar, welche bei bestehendem DWI-FLAIR-Mismatch und Modified Rankin Scale (mRS) ≤ 3 zeitnah erfolgen sollte. Stroke-Units ohne Thrombektomiemöglichkeit sollten darauf eingerichtet sein, diese Patienten unverzüglich zu identifizieren und rasch weiter zu verlegen.

  • Bei Patienten mit großflächig demarkiertem Infarkt ist die dekompressive Kraniektomie eine lebensrettende operative Therapieoption, die individuell und interdisziplinär bei Patienten in einem Alter von < 65 Jahren innerhalb von 48 h nach Symptombeginn erwogen werden sollte.

  • Regelmäßiges In-situ-Simulationstraining kann die Schlaganfallversorgung sowie das Sicherheitsempfinden und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter nachhaltig verbessern.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
25. August 2021

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