Nervenheilkunde 2020; 39(11): 754-757
DOI: 10.1055/a-1193-8340
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

Timo Klan
1   Mainz
,
Katharina Kamm
2   München
,
Ruth Ruscheweyh
3   München
› Author Affiliations

Wirksamkeit von Yoga als zusätzliche Behandlungsoption bei Migräne: Eine randomisiert kontrollierte Studie

*** Kumar A, Bhatia R, Sharma G et al. Effect of Yoga as add on Therapy in Migraine (CONTAIN): A randomized clinical trial. Neurology 2020; 94:e2203-e2212

Yogapraxis als zusätzliches Behandlungselement in der klinischen Routineversorgung kann zu besseren Therapieeffekten führen.

Hintergrund

Yoga ist der Oberbegriff für eine Reihe körperlicher und geistiger Übungspraktiken, die letztendlich auf eine aus Indien stammende Philosophie zurück zu führen sind. Auch in der westlichen Welt erfährt das Praktizieren von Yoga sowohl zur Gesundheitsförderung als auch zur (begleitenden) Therapie von körperlichen sowie psychischen Erkrankungen eine hohe Akzeptanz. Es gibt zahlreiche Studien, die eine Effektivität des Yoga sowohl bei psychischen Störungen [1], [2], als auch bei Schmerzen und körperlichen Erkrankungen [3], [4] belegen. Auch gibt es einige Studien, die auf die Wirksamkeit von Yoga bei Migräne hinweisen, wie z. B. die Arbeit von John und Kollegen [5].


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Zusammenfassung

Mit n = 160 konsekutiven Patienten (Diagnose: Episodische Migräne) einer tertiären Versorgungseinrichtung (neurologische und Kopfschmerzklinik in Neu-Delhi, Indien) wurde eine randomisiert-kontrollierte Studie durchgeführt. Verglichen wurden 2 Patientengruppen, die entweder eine konventionelle medikamentöse Behandlung oder zusätzlich zur medikamentösen Behandlung für 3 Monate Yoga durchführen. Das Yoga wurde einen Monat lang unter Anleitung zu je 3 Tagen/Woche (Dauer: 1 h, Inhalt: Mischung aus Atem-, Entspannungs-, Meditations- und Halteübungen) praktiziert und sollte 2 Monate für 5 Tage/Woche zu Hause individuell fortgeführt werden. Alle Patienten erhielten außerdem eine Beratung zu gesundem Lebensstil (regelmäßige Mahlzeiten, Entspannung, körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf).

Als primärer Outcome wurden die Kopfschmerzaktivität (Häufigkeit und Intensität) sowie der Fragebogenwert im HIT-6, als sekundärer Outcome der Medikamentenkonsum, Fragebogenwert im MIDAS sowie der Anteil von Patienten mit Kopfschmerzfreiheit erhoben. Dargestellt werden die Mittelwerte und Standardabweichungen beider Gruppen vor (Baseline) und nach (3-Monats-Follow-up) der Behandlung sowie die Ergebnisse der jeweiligen Signifikanztests (p-Werte). Des Weiteren werden die durchschnittlichen Änderungen in beiden Gruppen (Delta-Werte) und die Differenzen der Änderungen zwischen beiden Behandlungsbedingungen berichtet. Abgerundet wird die Ergebnisdarstellung durch ein Verlaufsdiagramm (Kopfschmerzaktivität mit Frequenz und Intensität, Medikamententage, HIT-6-Wert) zur Baseline sowie 1, 2 und 3 Monate nach der Therapie.

Insgesamt n = 114 Patienten schlossen die Studie erfolgreich ab. In beiden Interventionsgruppen konnte eine signifikante Verbesserung (Prä- zu 3-Monats-Follow-up) jeweils auf allen 6 Outcome-Parameter beobachtet werden. Der Vergleich der Änderungen zwischen beiden Bedingungen zeigte jeweils eine signifikant höhere Verbesserung in der „Yoga-Gruppe“ bei allen Outcome-Maßen. Die Anzahl der Kopfschmerztage/Monat verbesserte sich in der Kontrollgruppe um 0,9 (von 7,7 auf 6,8) und in der Yogagruppe um 4,4 (von 9,1 auf 4,7), der Gruppenunterschied war mit p < 0,001 signifikant. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Behandlung, die Yoga als zusätzliche Therapiemaßnahme integriert, einer medikamentösen Standardtherapie überlegen ist.


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Kommentar

Der Einsatz von Yoga zur Unterstützung der Behandlung von körperlichen sowie psychischen Erkrankungen hat seit mehreren Jahren Einzug in die klinische Praxis und Forschung gehalten. Die Durchführung von Yoga ist relativ kosten- und nebenwirkungsarm, sodass diese Entwicklung grundsätzlich zu begrüßen ist. Die vorliegende Studie liefert einen Hinweis darauf, dass Yoga auch bei Migräne als zusätzliches Behandlungselement von Nutzen sein dürfte. Allerdings finden sich in der Studie einige nicht unerhebliche methodische Schwächen, die die Aussagekraft der Ergebnisse reduzieren. Als wesentliche – auch von den Autoren der Studie angemerkte Limitation – ist das Fehlen einer Placebogruppe („sham yoga“) anzumerken. Zwar ist es bei übenden Verfahren tendenziell schwieriger als bei reinen Medikamentenstudien, eine Placebo-Intervention zu konstruieren. Angeboten hätte sich in dieser Studie jedoch die zusätzliche Realisierung einer aktiven Kontrollgruppe, die beispielsweise ein alternatives körperliches Training (z. B. Ausdauersport) und/oder ein Entspannungstraining (z. B. progressive Muskelrelaxation) – jeweils als Ergänzung zur medikamentösen Standardbehandlung – beinhaltet. So bleibt unklar, inwieweit Yoga als zusätzliche Intervention anderen übenden Verfahren überlegen ist bzw. Yoga einen spezifischen Wirkfaktor hat, der über ein „normales“ körperliches Training oder Entspannungstraining hinaus geht. Weitere Schwächen der Publikation sind das Fehlen von Angaben, wie die Compliance beim Führen des Kopfschmerztagebuchs geprüft wurde. Auch gibt es keine quantitativen Angaben zur Manualadhärenz (inwieweit wurde sich in dem einen Monat Übungspraxis im Yoga-Zentrum an das vorgegebene Übungsprogramm gehalten?). Profitiert hätte die Publikation außerdem von der Angabe von Effektstärken. Zu loben ist, dass die Autoren diverse Wirkmechanismen von Yoga diskutieren. Es bleibt zu hoffen, dass mit dieser Studie ein Impuls für weitere, noch spezifischere Wirksamkeitsnachweise hinsichtlich des Einsatzes von Yoga in der Migränebehandlung gegeben worden ist.


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Publication History

Article published online:
06 November 2020

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