Aktuelle Dermatologie 2021; 47(04): 149-154
DOI: 10.1055/a-1212-8607
Fehler und Irrtümer in der Dermatologie

Vertauschung von Hautbiopsien als voll beherrschbares Risiko

Mix-up of Skin Biopsies as a Fully Controllable Risk
P. Elsner
Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
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Zusammenfassung

Ein Hautarzt führte bei einem Patienten wegen suspekter Hautveränderungen an der rechten Schulter und im Bereich des Nackens Biopsien durch. Der Pathologie-Befund ergab für die Hautveränderung an der rechten Schulter ein fortgeschrittenes und ulzeriertes invasives superfiziell spreitendes malignes Melanom (SSM) und für die im Bereich des Nackens vorgefundene Hautveränderung ein fortgeschrittenes solid-adenoides Basalzellkarzinom. Der Patient unterzog sich daraufhin einem unter Vollnarkose durchgeführten operativen Eingriff zur Entfernung der Hautveränderung an der Schulter (Nachexzision mit Sicherheitsabstand von 2 cm und Sentinel-Lymphonodektomie axillär). Da der Patient bereits zu diesem Zeitpunkt eine Vertauschung der zuvor entnommenen Gewebeproben vermutete, erfolgte im Rahmen dieses Eingriffs auf seinen ausdrücklichen Wunsch zugleich eine Re-Biopsie der Hautveränderung im Bereich des Nackens. Während die Exzision im Bereich der Schulter einen tumorfreien Befund ergab, bestätigte die Re-Biopsie am Nacken den Nachweis von Tumorzellverbänden im Sinne eines malignen Melanoms und damit den Verdacht auf Verwechslung der Präparate. Das zuständige Landgericht gab seiner Klage auf Schmerzensgeld statt und hielt fest, dass die verwechslungssichere Aufbewahrung, Etikettierung und Versendung von Patienten entnommenen Gewebeproben ein sog. vollbeherrschbares Risiko ist. Für voll beherrschbare Risiken gilt eine Beweislastumkehr, d. h. der Arzt muss beweisen, dass kein Behandlungsfehler vorlag. Zur Vermeidung von Vertauschungen dermatopathologischer Proben sollten alle Prozessschritte der Biopsieentnahme, des Versandes und der Verarbeitung analysiert und in einem Qualitätsmanagement-Dokument festgehalten werden.

Abstract

A dermatologist performed biopsies on a patient because of suspicious skin changes on the right shoulder and in the neck area. The pathology report revealed an advanced and ulcerated invasive superficial spreading malignant melanoma (SSM) for the right shoulder and an advanced solid adenoidal basal cell carcinoma for the neck area. The patient then underwent surgery under general anesthesia on the shoulder (re-excision with a safety margin of 2 cm and axillary sentinel lymphonodectomy). Since the patient suspected at this point that the tissue samples taken previously had been mixed up, a re-biopsy in the neck area was performed at his express request. While the excision in the shoulder area was tumor-free, the re-biopsy in the neck confirmed the detection of malignant melanoma tumor cells and thus his suspicion of mix-up of the biopsy specimen. The regional court upheld his claim for damages for pain and suffering and held that the confusion-proof storage, labelling and dispatch of tissue samples taken from patients is a so-called fully controllable risk. A reversal of the burden of proof applies to fully controllable risks, i. e. a physician must prove that there was no treatment error. In order to avoid mix-ups of dermatopathological specimen, all process steps of biopsy taking, dispatch and processing should be analysed and recorded in a quality management document.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. September 2020

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