Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2021; 56(09): 628-634
DOI: 10.1055/a-1220-4689
Fortbildung

Das Post-Polio-Syndrom in der perioperativen Phase

Post-polio Syndrome in the Perioperative Phase
David Gebauer
,
Gregor A. Schittek
,
Philipp Zoidl
,
Andreas Sandner-Kiesling

Zusammenfassung

In den letzten Jahrzehnten gab es noch immer zahlreiche Poliomyelitis-Epidemien – und 10 – 30 Jahre nach einer Poliomyelitis-Infektion kann ein Post-Polio-Syndrom (PPS) auftreten. Somit ist auch in Europa mit einem Anstieg der PPS-Prävalenz zu rechnen. Gleichzeitig benötigen PPS-Patientinnen und -Patienten – bedingt durch ihre muskuloskelettalen Erkrankungen – häufig Operationen, bei denen anästhesiologische Besonderheiten zu beachten sind.

Abstract

Due to the numerous poliomyelitis epidemics that have continued over the last decades and the post-polio syndrome (PPS) that occurs 10 – 30 years after poliomyelitis infection, the prevalence of PPS is also expected to increase in Europe. At the same time, due to the musculoskeletal disorders associated with the underlying disease, PPS patients often require surgery for which special anaesthetic requirements must be taken into account. In this analysis we summarise the current evidence and recommendations.

Kernaussagen
  • Präoperativ gilt es, PPS-Patienten/-innen zu identifizieren, deren individuelle Risikofaktoren zu eruieren und gemeinsam das bestmögliche Narkoseverfahren auszuwählen, um einen möglichst stressfreien perioperativen Ablauf zu ermöglichen.

  • Prä- sowie postoperativ ist der neurologische Status zu dokumentieren, um eine Aggravation der Grunderkrankung zu erkennen.

  • Häufig besteht eine erhöhte Opioidtoleranz aufgrund vorbestehender Opioid-Dauermedikation bei chronischen Schmerzen.

  • Allgemeine intraoperative Besonderheiten sind vor allem Lagerungsmaßnahmen, Kälteempfindlichkeit, erhöhtes Aspirationsrisiko sowie verringertes Blutvolumen.

  • Häufig liegt eine veränderte Sensitivität gegenüber Hypnotika, Opioiden und Muskelrelaxanzien vor, folglich sollten möglichst kurzwirksame und antagonisierbare Medikamente verabreicht werden.

  • Neurodegenerativ bedingt kann es zu Beeinträchtigungen der Atemmuskulatur mit konsekutiver Lungenfunktionseinschränkung und in weiterer Folge zu Beatmungsproblemen kommen.

  • Aggravation vorbestehender neuromuskulärer Dysfunktionen durch rückenmarksnahe und periphere Regionalanästhesie sind nicht bewiesen – daher sollten diese Verfahren nach Nutzen-Risiko-Abwägung angewandt werden.



Publication History

Article published online:
10 September 2021

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