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DOI: 10.1055/a-1265-5532
Der Schockraum als Nahtstelle zwischen Präklinik und Klinik
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Die ständige Vorhaltung und Verfügbarkeit eines Schockraums zur Versorgung von kritisch kranken und schwer verletzten Patienten ist eine wesentliche und für die transsektorale Notfallversorgung wichtige klinische Ressource. In diesem Artikel sollen die derzeitigen Entwicklungen der Schockraumbereitstellung in Deutschland aufgezeigt werden.
Fall 1
Nachts ereignet sich ein Verkehrsunfall mit 5 Fahrzeugen auf der Autobahn, die Einsatzstelle erstreckt sich über mehrere hundert Meter. Der Ihnen als Notarzt zugeteilte Patient läuft Ihnen entgegen. Er humpelt etwas mit dem linken Bein und klagt über Knieschmerzen links. Zusätzlich gibt er ein zunehmendes Ziehen im Bereich der HWS an. Ansonsten nennt er keinerlei Beschwerden.
Anamnestisch beschreibt der Patient, dass ihm mit ca. 120 km/h eigener Geschwindigkeit ein anderer Pkw hinten aufgefahren sei, im Anschluss erfolgte ein Aufprall auf die Mittelleitplanke, das Fahrzeug ist erheblich frontal deformiert, die Airbags haben ausgelöst.
Die ersten erhobenen Vitalparameter zeigen einen GCS-Wert von 15, eine Herzfrequenz von 115 /min rhythmisch, einen Blutdruck von 150 /75 mmHg, eine periphere pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung von 98 %. Der folgende, orientierende Bodycheck zeigt keine weiteren Auffälligkeiten.
Welche Klinikeinweisung veranlassen Sie?
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Die Vorhaltung eines aufnahmebereiten Schockraums für den kritisch verletzten oder kritisch kranken Patienten ist eine sehr wertvolle prä- und innerhospitale Ressource.
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Zur reibungslosen Organisation der sensiblen Nahtstelle „Schockraum“ sind klare Absprachen zur Belegung zwischen Rettungsdiensten, Rettungsleitstellen und Kliniken unabdingbar.
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Für die Ausgestaltung und den Ablauf der Schockraumversorgung Schwerverletzter existieren von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie vorgegebene organisatorische und inhaltliche Strukturen, Behandlungsleitlinien und Qualitätsvorgaben.
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Für die innerklinische Notfallbehandlung kritisch kranker, nicht traumatologischer Patienten bestehen solche klaren Vorgaben bislang nur marginal.
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Kritisch kranke Patienten ohne Trauma sind präklinisch häufig schwer einzuschätzen, auch in Hinblick auf die innerklinische Indikation zur Intensivtherapie.
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Es gibt konkrete, klinisch sinnvolle und gut umsetzbare Vorschläge für Alarmierungskriterien, personelle und apparative Organisation und Behandlungsabläufe für die „konservative“ Schockraumbehandlung kritisch kranker, nicht traumatologischer Patienten.
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Kritisch kranke Notfallpatienten ohne Trauma profitieren in selben Maße wie Schwerverletzte von einer schnellen, interdisziplinären und sektorenübergreifenden Behandlung in einem Schockraum und sollten nicht primär durch den Rettungsdienst auf eine Intensivstation eingeliefert werden.
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Die präklinische, nicht traumatologische Vigilanzstörung kann multiple Ursachen haben, sie weist eine hohe innerklinische Mortalität auf und stellt eine Indikation zur Schockraumbehandlung dar.
Publication History
Article published online:
09 December 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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