Aktuelle Urol 2021; 52(06): 527-529
DOI: 10.1055/a-1323-8979
Recht in der Praxis

Der Einwand der hypothetischen Einwilligung und die Anforderungen an einen echten Entscheidungskonflikt des Patienten bei einer Koloskopie

Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 09.04.2019 und 23.04.2019 – 4 U 262/19
Kathrin Thumer

I. Zum Sachverhalt

Die klagende Patientin begab sich im Jahre 2016 auf Überweisung ihres Hausarztes in die Praxis der Beklagten, da bei ihr eine unklare Blutungssymptomatik im Stuhl aufgetreten war. Die Beklagten führten eine Koloskopie durch, in deren Folge es zu einer Darmperforation sowie zu einem Pneumothorax kam, die eine stationäre Behandlung bedingten.

Die Klägerin machte mit ihrer Klage Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche ausschließlich wegen Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit der Darmspiegelung geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass sie im Vorfeld der Untersuchung nicht hinreichend über die mit der Koloskopie einhergehenden Risiken aufgeklärt worden sei.

Das Landgericht Leipzig wies die Klage in erster Instanz ab (Urteil vom 21.12.2018 – 8 O 1096 /18). Zwar zogen die Richter eine ordnungsgemäße Aufklärung tatsächlich in Zweifel, allerdings gingen sie nach Anhörung der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin in die von den Beklagten durchgeführte Koloskopie aus. Die Richter waren insoweit nicht davon überzeugt, dass sich die Klägerin – für den angenommenen Fall einer hinreichenden Aufklärung – in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, mithin die Darmspiegelung nicht oder nicht so hätte vornehmen lassen.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihre Ansprüche weiter und berief sich fortführend auf eine unzureichende Aufklärung. Sie gab an, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung sehr wohl in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte; sie hätte sich erneut an ihren Hausarzt gewandt und den Eingriff nicht bei den Beklagten, sondern in einem Krankenhaus durchführen lassen. Insoweit hätten die Beklagten nicht hinreichend dargelegt, dass sich die Klägerin bei korrekter Information über den Eingriff und dessen Risiken gleichermaßen für die Durchführung der Koloskopie entschieden hätte.

Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Beschluss vom 09.04.2019 – 4 U 262/19 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen zu wollen und zur Rücknahme der Berufung geraten. Die Klägerin ist diesem Rat nicht gefolgt, so dass die Berufung sodann mit Beschluss vom 23.04.2019 – 4 U 262/19 – wie angekündigt zurückgewiesen wurde.



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Article published online:
30 November 2021

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