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DOI: 10.1055/a-1345-2903
GBA beschließt höhere Mindestmengen in der Neonatologie
Am 17.12.2020 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) beschlossen, dass ab dem 1.1.2024 ein Perinatalzentrum Level 1 mindestens 25 statt bisher 14 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g jährlich behandeln muss (Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Mindestmengenregelungen: Änderung der Nr. 8 der Anlage vom 17. Dezember 2020). In den Kalenderjahren 2021 und 2022 gilt übergangsweise jeweils eine Mindestmenge von 14, im Kalenderjahr 2023 gilt eine von 20 Leistungen pro Standort und Jahr. Perinatalzentren, die danach die Mindestmenge nicht erfüllen, dürfen die Leistung nicht mehr erbringen.
Mindestmengen sind bekannte und erprobte Instrumente der Qualitätssicherung in der Medizin. Am gleichen Tag, dem 17.12.2020, beschloss der GBA eine Erhöhung der Mindestmengen für Eingriffe am Ösophagus (von 10 auf 26 Eingriffe pro Jahr und Standort) und bestätigte die Mindestmenge für Nierentransplantationen (25 pro Jahr und Standort). So soll der Komplexität der jeweiligen Behandlungen Rechnung getragen werden.
Während die Regelungen bei den Eingriffen am Ösophagus und der Nierentransplantation wohl kaum irgendwelche Diskussionen bei Medizinerinnen und Medizinern oder bei den betroffenen Patienten hervorrufen, ist dies durchaus bei der Hochsetzung von 14 auf 25 Behandlungsfälle von Frühgeborenen zu erwarten. „Wissenschaftliche Basis der heute gefassten Beschlüsse bilden die vom G-BA in Auftrag gegebenen Auswertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses bei komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus (Speiseröhre) und bei Nierentransplantation jeweils vom April 2020“ (Presseerklärung des GBA vom 17.12.2020).
Die wissenschaftliche Ableitung der Heraufsetzung der Mindestmenge auf genau 25 für die Behandlung von Frühgeborenen wird in den Texten des GBA nicht erwähnt. In der kürzlich in der ZGN erschienenen Publikation über den Zusammenhang zwischen vermeidbaren Todesfällen von Frühgeborenen und der Zahl von Behandlungen eines Perinatalzentrums kamen die Autoren zum Schluss, dass die optimale Mindestmenge für sehr kleine Frühgeborene bei 50–60 Fällen pro Jahr und Zentrum sei [1]. In dieser statistischen Arbeit wurde Qualität nur in Bezug auf Todesfälle definiert, nicht auf das medizinische Outcome der überlebenden Frühgeborenen. Der GBA blieb nun unter der Forderung einer höheren Mindestmenge aus der oben zitierten Arbeit und setzte sie auf die Hälfte, nämlich 25 Behandlungen pro Jahr und Klinik, fest.
Es ist nun damit zu rechnen, dass einige Perinatalzentren diese Anzahl nicht erreichen werden und schließlich auch den Status eines Perinatalzentrums der höchsten Versorgungstufe verlieren werden. Vielleicht wird dies aber auch ein Weg sein, die Ordnung der einzelnen Versorgungstufen zurechtzurücken. Immer noch haben wir ein Missverhältnis von Perinatalzentren Level 1 zu Level 2. Für die Qualität in der Versorgung von Frühgeborenen wäre jedoch eine sinnvolle Abstufung förderlich, abgesehen von den organisatorischen Vorteilen in Bezug auf Personal oder Vorhaltekosten. Die Expertise, die bisher in einem kleineren Perinatalzentrum Level 1 erworben wurde, wird sicherlich nützlich für seine zukünftige Arbeit als Level-2-Klinik. Möglicherweise wäre auch eine Änderung der strengen Strukturanforderungen für Level-2-Zentren hilfreich.
Unabhängig von Mindestmengen und Strukturen ist die Verhinderung von Frühgeburten das wirksamste Mittel, die Qualität in der Perinatalmedizin zu verbessern. Diese ist sicherlich schwieriger zu messen als Todesfälle oder Komplikationen bei den Kindern zu zählen und zu vergleichen. Auf dem Weg, der uns nun durch den Beschluss des GBA vorgegeben wurde, sollte genau diese Prävention von Frühgeburt die Maxime unseres Handelns sein.
Prof. Dr. med. Rolf Schlößer, Frankfurt, Präsident der DGPM
Publication History
Article published online:
18 February 2021
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Literatur
- 1 Heller G, Schnell R, Rossi R. et al. Wie hoch ist die optimale Mindestmenge für die Behandlung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 g in Deutschland?. ZGN 2020; 224: 289-297