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DOI: 10.1055/a-1363-6726
Häusliche Gewalt in Pandemiezeiten
Die Coronakrise hat weltweit weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft. Neben gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Aspekten spielen vor allem auch soziale Folgen eine wesentliche Rolle. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die Entwicklung des Phänomens „häusliche Gewalt“ zu Pandemiezeiten aus rechtsmedizinischer Sicht. Das vermittelte Wissen soll medizinisches Personal sensibilisieren, Gewaltfolgen zu erkennen und adäquat zu dokumentieren.
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Häusliche Gewalt stellt eine nicht zu unterschätzende Dimension der Gewalt in zwischenmenschlichen Beziehungen dar.
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Bei häuslicher Gewalt bildet sich nahezu das gesamte Spektrum körperlicher Gewaltformen und der sexuellen Gewalt ab; auch psychische Gewalt ist hier einzubeziehen.
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Es ist davon auszugehen, dass die mit der Pandemie begründeten massiven Einschränkungen des Lebens der Menschen zu einer Verschärfung des Problems der häuslichen Gewalt geführt haben, u. a. durch den Wegfall von Betreuungsstrukturen.
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Im Zeitraum der Pandemie war in Abhängigkeit von der Untersuchungsstelle sowohl eine Abnahme von Untersuchungszahlen zu beobachten als auch eine Zunahme. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
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Sofern keine Strafanzeige erstattet wird, können niederschwellige Angebote zur Verletzungsdokumentation in den Kliniken oder über die rechtsmedizinischen Untersuchungsstellen den Betroffenen eine Möglichkeit bieten, dennoch ihre Verletzungen für eine spätere Gutachtenerstattung dokumentieren zu lassen.
Schlüsselwörter
Rechtsmedizin - physische Gewalt - sexuelle Gewalt - Straftat - Gewaltanwendung - Traumatologie - MisshandlungPublikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
01. März 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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