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DOI: 10.1055/a-1365-1318
Gelesen und kommentiert
Effekte von Kinesiotape auch bei Schulterschmerzen nach Schlaganfall
Deng P, Zhao Z, Zhang S et al. Effect of kinesio taping on hemiplegic shoulder pain: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Clin Rehabil 2020. doi:10.1177/0269215520964950
Zusammenfassung der Studie
Ziele
Ziel der Studie war es, die Effekte von Kinesiotape auf die Entwicklung von Schulterschmerzen nach Schlaganfall zu evaluieren.
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Methodik
Design Die kommentierte Arbeit beschreibt ein systematisches Review.
Ein- und Ausschlusskriterien und Interventionen Eingeschlossen wurden randomisierte und kontrollierte Studien in englischer und chinesischer Sprache, welche Kinesiotapes zur Behandlung von Patienten mit hemiparetischen Schulterschmerzen untersuchten. Zwei unabhängige Untersucher durchsuchten alle Artikel und bewerteten die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien mithilfe der PEDro-Skala. Sie untersuchten das Risiko für Verzerrung mithilfe des Cochrane’s Risk of Bias Tool und extrahierten die Daten aus den Studien.
Messungen Die abhängigen Variablen waren Schulterschmerzen, motorische Funktion der oberen Extremität, der Grad der Schultersubluxation, Aktivitäten des täglichen Lebens nach der Tape-Anlage mindestens 5 Monate nach Schlaganfall und eine Beeinträchtigung der Armfunktion, gemessen mit dem Fugl-Meyer Assessment (Punktwert zwischen 18 und 56 Punkte).
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Ergebnisse
Die Autoren schlossen nach systematischer Suche in den Datenbanken MEDLINE, EMBASE, Web of Science, CENTRAL, CNKI, Wan Fang Databases und Suche nach Grauliteratur bis Juli 2020 insgesamt 9 Studien mit 424 Studienteilnehmern ein.
In ihrer Metaanalyse gab es deutliche Effekte von Kinesiotape auf Schulterschmerzen (mittlere Differenz [MD] = –1,45 cm, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: −1,98–0,92 cm, p < 0,0001), auf die motorische Funktion der oberen Extremität (MD = 4,22; 95 %-KI: 3,49–4,95, p < 0,00001), auf den Grad der Schultersubluxation (standardisierte Mittelwertdifferenzen [SMD] = –0,65, 95 %-KI: −0,95 – −0,35; p < 0,0001) und Alltagsaktivitäten (MD = 6,86; 95 %-KI: 3,99–9,73, p < 0,00001) nach der Tape-Anlage.
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Schlussfolgerung
Die Autoren schlussfolgern, dass das Kinesiotape für die hemiparetische Schulter nach Schlaganfall die Schultersubluxation und Schulterschmerzen verringert und ebenso die motorischen Funktionen sowie Aktivitäten des täglichen Lebens verbessern kann.
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Kommentar
Die kommentierte Arbeit beschreibt die aktuelle Evidenz für Kinesiotape zur Behandlung der hemiparetischen Schulter nach Schlaganfall. Die Ergebnisse sind insgesamt sehr erfreulich, z. B. verbessern sich die Schulterschmerzen signifikant und klinisch relevant durch das Tape.
Die Autoren suchten in verschiedenen Datenbanken, auch in Datenbanken, die im deutschsprachigen Bereich eher unbekannt sind bzw. durch Sprachbarrieren kaum genutzt werden. Das spiegelt auch das überraschend umfangreiche Ergebnis der eingeschlossenen Studien wider, die vornehmlich aus dem asiatischen Raum stammen. Allerdings waren die eingeschlossenen Studien an sich sehr heterogen, sowohl hinsichtlich der durchgeführten Tape-Anlagen, der methodischen Qualität, des Untersuchungszeitraums als auch der eingeschlossenen Patienten (Beschwerden und chronisch bzw. subakut nach Schlaganfall).
So wurde die methodische Qualität der Studien zwar mit der PEDro-Skala als gut bewertet, jedoch hatten 8 von 9 Studien keine verborgene Zuordnung und 8 von 9 keine sogenannte Intention-to-treat-Analyse. Beides bedeutsame Marker für die methodische Studienqualität und so ein Hinweis auf Verzerrung des Studienergebnisses.
Auch wurden von den Autoren sehr unterschiedliche Kinesiotape-Anlagen beschrieben. Mit anderen Worten: Die Tape-Anlage schlechthin wurde nicht untersucht, sondern viele verschiedene Ausführungen von Tapes. Ebenfalls sind die in den Studien beschriebenen Kontrollgruppen sicherlich nur bedingt (Placebo-Kinesiotape bzw. keine Tape-Anlage) oder überhaupt nicht vergleichbar.
Zukünftige kontrollierte Studien sollten daher unbedingt auch mithilfe von Placebotapes untersuchen, welche spezifische Kinesiotape-Anlage am besten wirkt bzw. welche einfache Kinesiotape-Technik unbedingt eingesetzt werden muss, um patientenseitig wichtige Variablen wie Schmerzen und Alltagskompetenz zu verbessern.
Fazit Eine umfangreiche Untersuchung des aktuellen Wissensstands zur Wirksamkeit von Kinesio-Schulter-Tape-Anlagen zur Behandlung von Patienten nach Schlaganfall mit recht guten, aber vorläufigen Ergebnissen.
Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz
Professor für Therapiewissenschaften
Studiengangsleiter Neurorehabilitation, MSc
SRH Hochschule für Gesundheit
University of Applied Health Sciences
Campus Gera
Neue Straße 28–30
07548 Gera
Deutschland
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
17. März 2021
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