Nervenheilkunde 2021; 40(09): 731
DOI: 10.1055/a-1406-9597
Buchbesprechungen

Referenz Psychische Störungen

Kammer Thomas
1   Ulm
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Michael Bauer, Andreas Meyer-Lindenberg, Falk Kiefer, Alexandra Philipsen. Referenz Psychische Störungen. Stuttgart: Thieme Verlag 2021; 976 Seiten, 76 Abbildungen, Mixed Media Product, 199,99 Euro; ISBN 9783132432468

In einer über alle medizinischen Fächer angelegten Reihe erscheint neu im Thieme Verlag das umfangreiche Werk „Referenz Psychiatrie“, herausgegeben von 4 deutschen Lehrstuhlinhabern. In 127 Kapiteln wird tatsächlich die gesamte Psychiatrie nach einzelnen Störungsbildern abgehandelt, und zwar in einer einheitlichen Struktur, die immer mit Steckbrief (als Zusammenfassung) beginnt, gefolgt von Synonymen, Key words, Definition, Epidemiologie, Ätiologie, Symptomatik, Diagnostik mit Differenzialdiagnosen, Therapie, Verlauf, Prognose sowie Besonderheiten. Die vermeintlich starre Struktur „atmet“, je nach Thema werden zusätzliche Abschnitte eingebunden. Dies führt zu einer erfrischenden Konzentration auf das Wesentliche und verhindert epische Diskurse.

Differenzialdiagnosen finden sich in allen Kapiteln in Tabellenform, auf Querverweise mit Seitenangaben wird leider verzichtet. Ein Alleinstellungsmerkmal des Werkes ist die Gliederung nach ICD-11, die ab Januar 2022 gelten soll. In vielen Kapiteln werden die damit verbundenen Neuerungen skizziert, und Vor- und Nachteile auch im Vergleich mit der DSM-5 diskutiert. Von der Gliederung nach ICD-11 wird an wenigen Stellen sinnvollerweise abgewichen. So verbleiben die Tic-Störungen im Bereich Entwicklungsstörungen, und der Umzug in der ICD-11 zu den Erkrankungen des Nervensystems wird zu Recht kritisch erörtert. Schlafstörungen sowie sexuelle Funktions- und Identitätsstörungen finden sich im Buch, auch wenn die ICD-11 sie nicht mehr bei den psychischen Störungen listet, sondern in eigenständige Kapitel ausgelagert hat. Ungewöhnlich ist die Rubrik „Aktuelles“ in einigen Kapiteln, in denen unterschiedliche Aspekte wie Entwicklung der nosologischen Konzepte, Leitlinien oder Disease-Management-Programme erörtert werden.

Leider findet sich neben viel Licht auch etwas Schatten. Die bipolaren Störungen werden getrennt von affektiven Störungen diskutiert, sodass unter letzteren nur die Depression verbleibt. Die Gebrauchsstörung von Ketamin als Dissoziativum wird in einem eigenen Kapitel abgehandelt, Dissoziativa werden aber auch bei den Halluzinogenen mitgelistet, leider ohne Querverweis. Die nosologische Herausforderung Dissoziation wird nach ICD-11 neu kategorisiert, dabei aber die Relation zu dissoziativen Symptomen bei PTSD oder Borderline-PS nicht konsistent thematisiert.

Insgesamt ist das Buch eine bereichernde Gesamtschau zum Fach Psychiatrie, welches seinen Einsatz sowohl als Nachschlagewerk als auch als systematische Grundlage für den Arzt in Weiterbildung eingesetzt werden kann.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
31. August 2021

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