Krankenhaushygiene up2date 2021; 16(03): 239-240
DOI: 10.1055/a-1491-4533
Editorial

Erregerlexikon – die neue Rubrik in Krankenhaushygiene up2date

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Dr. med. Thomas Schwanz

Kurz nach Beginn meiner krankenhaushygienischen Ausbildung nahm ich an einer Fortbildung „Training Course in Hospital Epidemiology“ mit Teilnehmern aus zahlreichen Ländern der ganzen Welt teil. Wir wurden in einem Workshop am ersten Tag gefragt, was die Aufgabe der Krankenhaushygiene (infection control) sei. Nach lebhafter Diskussion kamen wir zum Ergebnis: „Infektionskrankheiten im Zusammenhang mit einer Einrichtung im Gesundheitssystem versuchen zu reduzieren, am besten ganz zu vermeiden.“ Wir analysierten verschiedene Konditionen, unterschiedliche Szenarios und am Ende blieben zwei Konstanten: Mensch und Erreger.

Um Infektionskrankheiten als Folgezustand eines Zusammentreffens dieser zwei Spieler verstehen zu können, sollten diese und deren Besonderheiten verstanden sein. Bereits der erstere, der Mensch, wie wir alle nur zu gut wissen, ist in seinem Wesen äußerst vielschichtig und selbst ein Studium der Psychologie garantiert nicht, den Menschen wirklich zu verstehen.

Geradezu trivial hingegen erscheint es, die „Welt der anderen Seite“, die der Erreger, zu erfassen und zu beschreiben, obwohl sie unseren Sinnesorganen ohne Einsatz von Hilfsmitteln weitgehend verborgen bleibt. In der medizinischen Mikrobiologie (inkl. benachbarter Fachdisziplinen) wird versucht, diese Welt zu ordnen, Mikroorganismen differenziert zu kategorisieren und zu benennen, deren Eigenschaften und Interaktionen, deren Stärken und Schwächen zu beschreiben, um besser zu verstehen, warum diese manchmal nützlich sind und gleichzeitig gefährlich werden können. Diese Aufgabe ist noch lange nicht zu Ende, aber ein solider Grundstock steht.

Im krankenhaushygienischen Alltag werden wir mit mikrobiologischen Befunden konfrontiert, die Aussagen zur Existenz eines bestimmten Mikroorganismus in Proben, die nicht direkt einem Patienten zugeordnet sind, beinhalten: Pseudomonas aeruginosa in einer Trinkwasserprobe, Micrococcus luteus aus der Sterilprobe einer Mischinfusion, Staphylococcus hominis aus der Beprobung eines aufbereiteten Bronchoskops. Aus Patientenproben werden den Mikroorganismen unter Umständen Antibiogramme zugeordnet: Escherichia coli ESBL 3MRGN im Rektalabstrich eines MRE-Screenings oder aus einem Nase-Rachenabstrich das Ergebnis eines positiven MRSA-Aufnahmescreenings.

Die Interpretation obliegt primär dem Befund-Empfänger:

  • Hinweise, welche Konsequenzen diese Befunde für die Prävention einer Infektionserkrankung haben, sind meist nicht enthalten.

  • Antibiogramme enthalten kein Warnsignal, dass diese Testergebnisse nicht als Aufforderung für die Gabe von Antibiotika zu verstehen sind.

Üblicherweise werden in Hygieneplänen diesen „Erregern“ Maßnahmenpakete gegenübergestellt. Und dennoch kann nicht jede spezielle Fragestellung dort vorausschauend beschrieben sein. Gute Algorithmen für diese Ausnahmen lassen sich auf der Basis soliden Wissens zu nachgewiesenen Erregern ableiten und entwickeln, ohne pauschal mit Analogiekonzepten zu anderen Pathogenen zu antworten. Dabei bleibt es wichtig, die richtigen Assoziationen zu den individuellen Befundergebnissen zu besitzen: Influenzaviren sollten nicht mit Haemophilus influenzae aufgrund des vermeintlich ähnlichen Klangmusters verwechselt werden.

In diesem Kontext kann und will Krankenhaushygiene up2date unterstützen: Vermittlung hygienerelevanten Wissens zu Mikroorganismen. Im Projekt „Erregerlexikon“ sollen jeweils ein bis zwei relevante Pathogene mit den charakteristischen mikrobiologischen Merkmalen, dem Habitat und Infektions- und Transmissionspotential übersichtlich dargestellt werden. Parallel werden Prinzipien der Systematik, der Methodik und aktueller Entwicklungen der Mikrobiologie, Virologie, Mykologie und Parasitologie beispielhaft vorgestellt.

Wir hoffen, mit diesem „Erregerlexikon“ ein für die Leserschaft hilfreiches Element zu anzubieten, das kurzweilig Wissen vermittelt. Wissen, um die „Erreger“ besser zu verstehen, um infektionspräventive Konsequenzen effektiv und adäquat definieren zu können.

Selbstverständlich sei jeder einzelne auch weiterhin motiviert, sich im stets notwendigen Verständnis für die hier nicht thematisierte Seite zu üben: die höchstkomplexe Psychologie des Menschen.

Ihr
Thomas Schwanz



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. September 2021

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