Gesundheitswesen 2022; 84(03): 189-198
DOI: 10.1055/a-1510-8764
Originalarbeit

Quantifizierung der Entwicklungen des Mangels an Fachärzten/innen für Öffentliches Gesundheitswesen im Öffentlichen Gesundheitsdienst und seine Auswirkungen

Quantifying the Developments of Shortages in Public Health Specialists in the Public Health Service and its Effects
Peter Tinnemann
1   Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charite Universitatsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
2   Gesundheitsamt, Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Elke Bruns-Philipps
3   Spezielle Fachaufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover, Deutschland
,
Jakob Schumacher
4   Gesundheitsamt, Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, Berlin, Deutschland
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Zusammenfassung

Für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland spielen die Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes auf der Ebene der Kommunen, der Länder und des Bundes eine zentrale Rolle. Zur Bewältigung der vielfältigen praktischen Aufgaben des Gesundheitsschutzes, der Krankheitsvermeidung und Gesundheitsförderung nach rechtlichen Vorgaben arbeiten Mitarbeitende mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammen und tragen zur sozialen Kohärenz bei. Die bundesweite Personalausstattung wird nicht empirisch erhoben. Unterschiedliche Akteure kolportieren seit Jahren eine abnehmende Zahl an Fachärzten/innen und damit verbundene Qualitätseinschränkungen. Ziel dieser Untersuchung ist, den Rückgang an Fachärzten/innen für das Öffentliche Gesundheitswesen zu quantifizieren und regionale Trends darzustellen. Regelmäßig erhobene und frei verfügbare Daten zu den in dem Zeitraum von 1998 bis 2018 in Deutschland registrierten Ärzte/innen wurden deskriptiv analysiert, in Bezug auf Entwicklungen der Zahl an Fachärzte/innen in Deutschland, in den Landesärztekammer Regionen, nach Facharztgebieten und Alter. Während die Anzahl der Fachärzte/innen in Deutschland insgesamt kontinuierlich steigt (52%), bleibt die Zahl derer, die in Behörden, Körperschaften u. a. tätig sind mit 2% relativ konstant. Dagegen hat die Zahl der in Behörden und Körperschaften tätigen Fachärzte/innen für Öffentliches Gesundheitswesen in den letzten 20 Jahren um fast 30% abgenommen. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in allen Regionen, mit zum Teil noch größeren regionalen Abnahmen. Bayern ist die einzige Region mit einer gegensätzlichen Entwicklung. Für Fachärzte/innen für Öffentliches Gesundheitswesen gibt es nahezu kaum Nachwuchs und Überalterung in diesem Facharztgebiet nimmt zu. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen fachärztlicher Qualifikationen im Öffentlichen Gesundheitsdienst muss eine ausreichend fachärztliche Bearbeitung hoheitlicher und anderer für die Bevölkerungsmedizin relevanter Aufgaben in Frage gestellt werden. Diese Entwicklungen bedrohen die Bevölkerungsgesundheit im Allgemeinen, die öffentliche Sorge um vulnerable Bevölkerungsgruppen im Speziellen und letztendlich den funktionierenden demokratischen Sozialstaat.

Abstract

The institutions of the Public Health Service at the level of the federal government, the states and the local authorities play a central role in public health in Germany. To manage the many practical tasks of health protection, disease prevention and health promotion in accordance with legal requirements, employees with different skills work together and contribute to social coherence. There are no empirical data on nationwide staffing levels. For years, different actors have been reporting a decreasing number of public health consultants and associated quality of public health work. The aim of this study was to quantify the public health consultant decline and to present regional trends. Regularly collected and freely available data on medical consultants registered in Germany from 1998 to 2018 were descriptively analysed with regard to developments in the number of consultants in Germany, in the regions of the Medical Associations, by specialty and age. While the total number of medical consultants in Germany has continuously increased (52%), the number of those working in administrative positions, public corporate bodies, etc. has remained relatively constant at 2%. In contrast, the number of public health consultants working in administrative offices, public corporate bodies, etc. over the last 20 years has decreased by almost 30%. Similar developments can be seen in all regions, with some even larger decreases in some regions. Bavaria is the only region with a contrasting development. There is almost no new generation of public health consultants and the number of older consultants in this field is increasing. Against this background, the availability of a sufficient number of qualified professionals to manage administrative and other tasks relevant to population medicine must be questioned. These developments threaten public health in general, public concern for vulnerable population groups in particular, and ultimately the functioning of the democratic welfare state.

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Article published online:
03 August 2021

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