Frauenheilkunde up2date 2022; 16(04): 345-370
DOI: 10.1055/a-1525-3211
Geburtshilfe und Perinatalmedizin

Wochenbett – evidenz- und eminenzbasierte Empfehlungen

Michael O. Schneider
,
Sven Kehl
,
Matthias W. Beckmann
,
Toni Vleugel
,
Nicole Grafe

Die Postpartalphase des Wochenbetts ist charakterisiert durch Rückbildung der schwangerschaftsbedingten physiologischen Körperveränderungen. Sie wird durch Hebammen und Ärzte medizinisch überwacht und begleitet. So lassen sich Blutverlust, Wundheilung, der Beginn der Stillbeziehung und eventuell auftretende pathologische Prozesse durch Entzündungsvorgänge, Infektionen oder psychische Störungen rechtzeitig erkennen und behandeln.

Kernaussagen
  • Die ersten 2–3 Stunden des Wochenbetts (Postplazentarphase) sollen unter kontinuierlicher Anwesenheit der Hebamme stattfinden, um bei Bedarf für Mutter und Neugeborenes rasch notwendige Maßnahmen ergreifen zu können.

  • Bis zum Ablauf der 12. Woche nach der Geburt kann die Mutter Hebammenhilfe in Anspruch nehmen. Die Bestandteile der „Hebammenhilfe“ sind nicht eindeutig definiert. Für die ärztliche Betreuung geben die Mutterschaftsrichtlinien eine Hämoglobinbestimmung innerhalb der ersten postpartalen Woche sowie eine Abschlussuntersuchung mit 6–8 Wochen vor.

  • Die Evidenz des Nutzens von Rückbildungsübungen für den Beckenboden und der Bauchwand im Wochenbett ist begrenzt. Ein strukturiertes Beckenbodentraining in der Frühschwangerschaft kann bei kontinenten Frauen möglicherweise das Risiko für Urininkontinenz in der späten Schwangerschaft und postpartal reduzieren.

  • Die postpartale Hämorrhagie ist ein geburtshilflicher Notfall. Peripartale Blutverluste werden häufig nicht oder falsch eingeschätzt und führen nach Erreichen einer kritischen Schwelle zu einer raschen Dekompensation.

  • Eine Endomyometritis mit Gruppe-A-Streptokokken kann einen fulminanten Verlauf zeigen bis hin zur Entwicklung einer Puerperalsepsis mit hohen Mortalitätsraten.

  • An die seltene Ovarialvenenthrombose sollte bei persistierendem Fieber und Schmerzen trotz adäquater antibiotischer Therapie im Wochenbett gedacht werden. Der Goldstandard in der Diagnostik ist die kontrastmittelgestützte CT oder MRT.

  • Der häufigste Erreger der Mastitis puerperalis ist Staphylococcus aureus. Daher werden bei der medikamentösen Therapie primär Cephalosporine der 1. und 2. Generation oder β-Lactam-resistente Penicilline eingesetzt.

  • Psychische Erkrankungen im Wochenbett werden häufig nicht oder spät erkannt, sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Der EPDS ist ein hilfreiches Instrument zur Identifikation gefährdeter Wöchnerinnen. Unter den maternalen Todesfällen liegt der Anteil von Suiziden bei ca. 5–10%.



Publication History

Article published online:
29 August 2022

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