Notaufnahme up2date 2022; 04(01): 21-32
DOI: 10.1055/a-1560-7721
Organisation und Management in der Notaufnahme

Umgang mit Angehörigen von Verstorbenen in der Notaufnahme

Joachim Grüttner
1   Zentrale Notaufnahme, Universitätsmedizin Mannheim, Mannheim, Deutschland
,
Markus Schindler-Piontek
1   Zentrale Notaufnahme, Universitätsmedizin Mannheim, Mannheim, Deutschland
,
Thomas Walter
1   Zentrale Notaufnahme, Universitätsmedizin Mannheim, Mannheim, Deutschland
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Der Umgang mit Angehörigen von unerwartet verstorbenen Patienten in der Notaufnahme beinhaltet eine hohe emotionale wie auch eine gewisse juristische Relevanz. Da es speziell zu diesem Thema wenig Literatur gibt, sollen im folgenden Beitrag Beobachtungen und Erfahrungen aus einer großen Universitäts-Notaufnahme beschrieben und zu einer Art Erkenntnismuster zusammengesetzt werden, welches angetan sein könnte, die Kommunikation und Kooperation mit Angehörigen von verstorbenen Patienten im Notfalldienst zu erleichtern.

Kernaussagen
  • Todesfälle in der Notaufnahme ereignen sich typischerweise akut, unerwartet und in Abwesenheit bzw. Unkenntnis der Angehörigen.

  • Die erste Kontaktaufnahme mit Angehörigen nach Todesfällen in der Notaufnahme findet meistens telefonisch statt.

  • Beim ersten telefonischen Kontakt mit Angehörigen von Verstorbenen gilt es aus Sicherheitsgründen als legitim, nicht vom „Tod“, sondern von einer „schweren plötzlichen Erkrankung“ zu sprechen und um ein unverzügliches persönliches Gespräch zu bitten.

  • Das erste direkte Angehörigengespräch in der Notaufnahme sollte in einem angemessenen Rahmen, vor allem in einem abgeschirmten Raum stattfinden. Kleine Annehmlichkeiten wie Getränke tragen zu einer positiven Atmosphäre bei.

  • Im Erstgespräch in der Notaufnahme muss die Todesnachricht unmissverständlich und in klarer Sprache übermittelt werden. Die ggf. vorhergehende telefonische Information („schwere plötzliche Erkrankung“) sollte angesprochen und begründet werden.

  • Die erste Reaktion der Angehörigen ist meist emotional und sollte vor allem emotional deeskalierend begleitet werden. Das Verständnis und die Akzeptanz dieser Emotion sollten transportiert werden.

  • Angehörige sollten nach der Todesnachricht nicht allein sein, wichtig ist hier die Benachrichtigung weiterer Familienangehöriger und ggf. eines Seelsorgers.

  • Die Verabschiedung und die Erlaubnis, den Verstorbenen in der Notaufnahme zu sehen, ist wichtig für die Trauerarbeit.

  • Wenn sich Angehörige von Verstorbenen einige Tage später melden, stehen oft Sachfragen zum Todesfall, nicht selten auch in Verbindung mit Schuldhaftigkeit, im Vordergrund. Hier sollte möglichst schnell ein sachlich deeskalierendes Zweitgespräch angeboten werden.

  • Bei Verdacht einer sich entwickelnden pathologischen Trauer sollte ein niedrigschwelliges Angebot gemacht werden, ggf. auch im Verlauf psychotraumatologische Hilfe wahrzunehmen.



Publication History

Article published online:
14 January 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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