Frauenheilkunde up2date 2022; 16(04): 305-326
DOI: 10.1055/a-1631-3677
Diagnostik

Female Genital Mutilation in Deutschland – erkennen und behandeln

Maryam En-Nosse
,
Isabel Runge
,
Charlotte von Saldern
,
Eileen Mürdter
,
Nicole C. Schmidt

Durch die Migrationsströme der letzten Jahre sehen Gynäkologinnen und Gynäkologen in deutschen Kliniken und Praxen zunehmend Frauen, die von einer weiblichen Genitalverstümmelung betroffen sind. Fachwissen hierüber wird bisher in der ärztlichen Ausbildung nicht immer ausreichend vermittelt. Der folgende Artikel soll einen Überblick zum Thema FGM geben und Wissen für den Umgang mit betroffenen Frauen in der Praxis vermitteln.

Kernaussagen
  • FGM wird nicht nur in Afrika und Asien, sondern weltweit praktiziert und kommt durch Migrationsbewegungen auch in Deutschland immer häufiger vor. Deshalb sollten Gynäkologinnen und Gynäkologen zur Beratung und Behandlung von Betroffenen ausreichend ausgebildet sein.

  • Bei Patientinnen aus FGM-Prävalenzländern, die sich mit anderem Konsultationsanlass vorstellen, sollte an FGM gedacht werden und das Thema kultursensibel und respektvoll angesprochen werden.

  • Es gibt nach der WHO-Klassifikation 4 FGM-Formen, wobei besonders FGM Typ I, II und IV nicht immer zu erkennen sind. Es können auch Mischformen vorkommen.

  • Eine kontextabhängige Begriffsverwendung ist im Umgang mit Betroffenen essenziell, um Wertung oder Stigmatisierung der Betroffenen zu vermeiden.

  • Eine Defibulation sollte, falls nötig und gewünscht, möglichst vor Eintritt einer Schwangerschaft erfolgen.

  • FGM Typ III (Infibulation) stellt keinen Grund für einen Kaiserschnitt dar.

  • Die Defibulation wird international favorisiert in Lokal- oder Regionalanästhesie durchgeführt. Sie ist ein einfacher operativer Eingriff, den jede Gynäkologin und jeder Gynäkologe in der Facharztausbildung zumindest theoretisch kennen sollte.

  • Über die Option einer Rekonstruktion der Klitoris/des äußeren Genitals sollte die Patientin bei entsprechender Indikation informiert werden und ggf. an Zentren mit hoher Expertise weitervermittelt werden.

  • FGM und Reinfibulation erfüllen in Deutschland laut Strafgesetzbuch den Tatbestand einer (schweren) Körperverletzung.

  • Anzustreben ist eine engere interprofessionelle Vernetzung zur Verbesserung der Patientinnenversorgung und Prävention hinsichtlich Kinderschutz.



Publication History

Article published online:
29 August 2022

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