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DOI: 10.1055/a-1650-0963
Generalistische Pflegeausbildung – Eine Chance für die Notaufnahme
In wenigen anderen Bereichen der Patientenversorgung ist ein interprofessionelles Miteinander zwischen ärztlichem und pflegerischem Dienst von größerer Bedeutung als in der Notaufnahme. Im Wesentlichen unplanbare Patientenkontakte von Bagatelle bis Polytrauma stellen an alle Berufsgruppen hohe Anforderungen – sowohl in Bezug auf die Fachlichkeit aber auch insbesondere in Belangen der Prozesssteuerung und dynamischen Priorisierung. Gutes Personal wird rar – das merken wir im Moment ganz besonders, viele erfahrene Pflegekräfte sehen sich nach Alternativen außerhalb der direkten Patientenversorgung um.
Mit der Novellierung der pflegerischen Ausbildung – weg von der klassischen Aufteilung zwischen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege hin zur Pflegefachperson mit generalistischer Ausbildung und anschließender Spezialisierung – hat der Gesetzgeber einen Beitrag zur Professionalisierung der Pflege geleistet. Das Pflegeberufegesetz (PflBG) bildet das Regelwerk für diese generalistische Erstausbildung und setzt den Grundgedanken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Generalistik um: das Ziel ist die „Nurse responsible for general care“ – „Pfleger:in für allgemeine Pflege“. Die Notaufnahme als spezieller Bereich, der spezielle Kompetenzen braucht, ist nicht offensichtlicher Teil dieser generalistischen Erstausbildung.
Vielmehr versteckt der Gesetzgeber die Notaufnahme in den Pflichteinsätzen zur „ambulanten Akut-/Langzeitpflege“. Hier wäre ein Einsatz von 400 Stunden denkbar – sofern ein Ausbildungskonzept für die Abteilung vorliegt, das grundsätzliche pflegerische Inhalte und Kompetenzen vermittelt. Eine weitere Hürde dürfte für einige Abteilungen sein, dass künftig mindestens 10% der Einsatzzeit mit dokumentierter Praxisanleitung stattfinden.
Pflegekräfte in der Notaufnahme erfahren keine Refinanzierung durch die Krankenkassen: Funktionsbereiche werden im Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht berücksichtigt. Die notfallmedizinischen Fachgesellschaften fordern zu Recht, auch Notaufnahmen als pflegesensitive Bereiche anzuerkennen und konkrete Pflegepersonaluntergrenzen oder -schlüssel zu benennen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat mit der Empfehlung für die Weiterbildung für Notfallpflege den Weg zur anerkannten Fachpflege geebnet – der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) geht von einer offiziellen Anerkennung aus. Die Notaufnahme ist ein spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsgebiet für Pflegende mit täglich wechselnden Herausforderungen und unerreichtem Maß an eigenverantwortlichem Handeln. Es liegt nun mehr an uns als vorher, Pflegekräfte für unseren einzigartigen Bereich zu begeistern und zu halten: mit konkurrenzfähigen Dienstplanmodellen, attraktiver Fort- und Weiterbildung und einem Dialog auf Augenhöhe.
Die Notaufnahme up2date spricht ausdrücklich auch Pflegekräfte in Notaufnahmen an – wir hoffen, auch mit dieser Ausgabe wieder einen Beitrag zur Fortbildung Notfallpflegender leisten zu können.
Christian Künstler | Michael Bernhard | Frank Eifinger | Ingo Gräff | Thomas Henke | Bernhard Kumle | Dominik Michalski | Benjamin Ondruschka | Martin Pin | Sylvia Schacher
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
14. Januar 2022
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