Z Orthop Unfall 2023; 161(04): 412-421
DOI: 10.1055/a-1659-4823
Originalarbeit

Erhöhtes Alter, kardiovaskuläre Nebenerkrankungen, COPD und Diabetes mellitus bedingen eine Übersterblichkeit in der septischen Unfallchirurgie

Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | English
1   Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Vera Wallmeier
2   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Klinikum Stuttgart, Katharinenhospital, Stuttgart, Deutschland
,
Marie Reumann
3   Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Tübingen, Deutschland
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Sabrina Ehnert
4   Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Eberhardt Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Christoph Ihle
5   Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Anna J Schreiner
6   Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG-Unfallklinik Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Ingo Flesch
7   Sektion für septische und Fußchirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
8   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Stauferklinikum Mutlangen, Mutlangen, Deutschland
,
Tina Histing
9   Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
10   Siegfried-Weller-Institut für unfallmedizinische Forschung, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, BG Unfallklinik Tübingen, Tübingen, Deutschland
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Hintergrund Die konstante Überalterung der Bevölkerung in Deutschland führt u.a. zu einer Zunahme des durchschnittlichen Alters hospitalisierter Patienten. Hiermit einher gehen eine reduzierte physiologische Reserve und ein reduzierter körpereigener Abwehrmechanismus und folglich eine gesteigerte Infekt- und Komplikationsanfälligkeit. Die Altersentwicklung der septischen Unfallchirurgie ist im Vergleich zur Unfallchirurgie wenig erforscht. Zudem ist der Einfluss des Alters, verschiedener Vorerkrankungen, aber auch der des Alkohol- und Nikotinkonsums auf die Mortalität in der septischen Unfallchirurgie unzureichend untersucht.

Methode 2014/15 (Exam1) wurden 345 Patienten der septischen Unfallchirurgie in die Studie eingeschlossen. 2017/18 (Exam2) erfolgte das 3-Jahres-Follow-up. Die Befragungen (Exam1 und 2) umfassten demografische Parameter, Nebenerkrankungen, die Medikamenteneinnahme, Alkohol- und Nikotinkonsum sowie verschiedene Parameter zur Morbidität. Hieraus wurde das Sterberisiko in der septischen Unfallchirurgie in Abhängigkeit von den verschiedenen Risikofaktoren (Alter, Nebenerkrankungen, Medikamenteneinnahme und Noxen) berechnet. Zudem wurde die Entwicklung des Patientenalters in der Unfallchirurgie sowie speziell in der septischen Unfallchirurgie zwischen 2010 und 2019 ausgewertet.

Ergebnisse 2014/15 (Exam1) wurden 345 Patienten in die Studie eingeschlossen. Hiervon konnten 2017/18 274 (79,4%) telefonisch erreicht werden. 36 (10,4%) lehnten eine Nachbefragung ab. 20 (8,4%) der 238 verbleibenden Probanden waren bereits verstorben, 218 (63,2%) nahmen erneut teil. Zwischen 2010 (n = 492) und 2019 (n = 885) nahm die Patientenzahl der septischen Unfallchirurgie in unserer Abteilung um 79,9% zu, wobei besonders der Anteil der unter 65-Jährigen anstieg. Ab dem 60. Lebensjahr stieg die Sterbewahrscheinlichkeit (60. Lj: 0,0377 vs. 70. Lj: 0,1395) sprunghaft an; wobei in der septischen Unfallchirurgie die eines 60-Jährigen der Sterbewahrscheinlichkeit eines 80-Jährigen der Normalbevölkerung entsprach. Nikotin- (p = 0,93) und Alkoholkonsum (p = 0,344) zeigten keinen signifikanten Einfluss auf die Sterblichkeit, während kardiale Vorerkrankungen (p = 0,01), die COPD (p = 0,01), der Diabetes mellitus (p = 0,05) und die pAVK (p = 0,01) mit einer signifikant erhöhten Sterblichkeit einhergingen.

Schlussfolgerung Das Alter, kardiale Vorerkrankungen, aber auch die COPD, der Diabetes mellitus und die periphere arterielle Verschlusskrankheit gehen mit einer signifikant erhöhten Sterblichkeit in der septischen Unfallchirurgie einher. Eine exponentielle Zunahme des Sterblichkeitsrisikos besteht zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, wobei das Risiko zu versterben eines 60-jährigen Patienten der septischen Unfallchirurgie dem eines 80-jährigen aus der Normalbevölkerung entspricht.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 07. April 2021

Angenommen nach Revision: 29. September 2021

Artikel online veröffentlicht:
14. Februar 2022

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