Nervenheilkunde 2022; 41(04): 211
DOI: 10.1055/a-1701-8193
Zu diesem Heft

Suizid: Wir müssen reden

Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung
Peter Brieger
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Johannes Hamann
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Tobias Teismann
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Prof. Dr. Peter Brieger kbo-Isar-Amper-Klinikum Region München Akademisches Lehrkrankenhaus der LMU, München(Quelle: ©privat)
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Prof. Dr. Johannes HamannKlinikum rechts der Isar, München (Quelle: ©Jakob Hamann)
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Priv.-Doz. Dr. Tobias Teismann Klinische Psychologie und Psychotherapie Ruhr-Universität Bochum(Quelle: ©privat)

Suizid ist mehr als ein medizinisches oder psychiatrisches Problem. Das Thema Suizid umfasst medizinische, psychiatrische, psychotherapeutische, psychologische, aber auch philosophische, ethische, juristische, gesellschaftliche und politische Aspekte. Wir erleben hier ein Spannungsfeld: Suizide bringen viel Leid, und es ist eine Aufgabe der Gesellschaft und der Hilfesysteme, Suizide durch Präventionsmaßnahmen zu vermeiden oder durch therapeutische Bemühungen zu verhindern. Suizide widerspiegeln immer wieder ein Verzweifeln am Leben; und wir haben uns zu fragen, welche äußeren Umstände und inneren Zustände für diese Verzweiflung jeweils verantwortlich und wie sie zu verändern sind. Dennoch gibt es auch den Aspekt der persönlichen Freiheit in der Entscheidung für einen Suizid: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 26.02.2020 darauf hingewiesen und damit einen juristischen und gesellschaftlichen Rahmen vorgegeben. Suizid wird so aktuell auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich diskutiert. Neue Gesetzesinitiativen wurden im Januar 2022 von Bundestagsabgeordneten vorgestellt.

Mit diesem Heft wollen wir einige Themen dieser Diskussion für die „nervenheilkundliche“ Welt darstellen. Dazu gehört das Thema des Zusammenhangs zwischen Corona-Pandemie, Suizidversuchen und Suiziden, das in einem Beitrag von Tobias Teismann und Kollegen dargestellt wird. Weitere klinisch orientierte Beiträge stellen Psychotherapie bei Suizidalität von Tobias Teismann, chronische Suizidalität von Johannes M. Hennings sowie den Einsatz von Ketamin und Esketamin bei Suizidalität von Martin Plöderl und Koautoren dar. Ergänzt wird dies durch eine empirische Studie von Stefanie Geith und Florian Eyer zu Erfahrungen mit der Behandlung von Patienten nach Suizidversuchen auf einer toxikologischen Abteilung. Schließlich wird Psychotherapie akuter Suizidalität dargestellt, ein Thema, das bislang zu wenig Beachtung fand und für das es aber sehr gute Konzepte gibt, die stärker bekannt sein sollten. Die Frage der Prädiktion von Suizidversuchen und die Möglichkeit oder Frage, ob hier künstliche Intelligenz einen Einsatz haben könnten, werden in einem weiteren Beitrag von Tobias Teismann und Kollegen diskutiert: Das ist ein Thema, das insbesondere für Notaufnahmen, Konsilärzte aber auch niedergelassene Kollegen von hoher Bedeutung ist. Im Beitrag der Medizinrechtlerin Tanja Henking et al. wird dann die medizinrechtlich-ethische Seite des Suizides, insbesondere vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils dargestellt.

Das Thema Suizid hat für uns alle, die wir im (weiteren) Bereich von Psychiatrie und Psychotherapie arbeiten, eine grundsätzlich professionelle Seite. Es gibt aber eine zweite Seite, das ist die der persönlichen Erfahrung, der eigenen Werte und Überzeugungen. Wie diese beiden Seiten zusammengehen, kann nicht allgemein beantwortet werden, es ist aber wichtig und bedeutsam ausreichend Informationen zu haben, um sich dieses schwierigen Themas anzunehmen. Wenn wir einen kleinen Beitrag dazu leisten können, dann war für uns dieses Heft erfolgreich. Wir laden Sie nicht nur zum Lesen ein, sondern zum weiter Nachdenken und Diskutieren.

Peter Brieger, München, Johannes Hamann, München, und Tobias Teismann, Bochum



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. April 2022

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