Zusammenfassung
Hintergrund Nudges bieten vielfältige Möglichkeiten zur
Förderung von gesundheitsbezogenem Verhalten im Alltag, die klassische
Public Health-Maßnahmen ergänzen können. Vor diesem
Hintergrund führten wir vorläufige Untersuchungen zur
Wirksamkeit und zu ethischen Aspekten verschiedener Nudges zur Förderung
des Selbstmanagements von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 im Kontext von
Disease-Management-Programmen (DMPs) durch.
Methodik Die ethische Bewertung der Nudges erfolgte im systematischen
Rahmen von Marckmann et al. (2015) zur Public Health-Ethik. Die bisherige
Evidenz zur Wirksamkeit von Nudges wurde mittels einer narrativen
Literaturübersicht zusammenfassend dargestellt.
Ergebnisse Zielvereinbarungen mit Umsetzungsplänen, Erinnerungen,
Feedback, Sammeltermine bei Ärzten, Peer Mentoring sowie
Verhaltensverträge sind Nudging-Interventionen mit
mäßiger Eingriffstiefe in die Persönlichkeitsrechte der
Patienten und ethisch relativ unproblematischen Voraussetzungen, die sich in
verschiedenen Kontexten bewährt haben. Automatische Einschreibungen zu
Patientenschulungen, Einbindung der Lebenspartner, Konfrontation mit sozialen
Normen und Verwendung von Schockbildern können ebenfalls wirksam sein,
greifen jedoch tiefer in die Freiheit und Privatsphäre der Patienten ein
und unterliegen stärkeren ethischen Voraussetzungen und
Beschränkungen. Die Evidenzlage ist insbesondere bei Maßnahmen
zur sozialen Unterstützung durch Angehörige und Peers noch
unzureichend.
Schlussfolgerungen Nudging bietet ein breites Spektrum gezielter
Interventionen zur Förderung des Selbstmanage-ments von Patienten mit
chronischen Erkrankungen, dessen Potenzial bislang noch zu wenig erschlossen
wurde. Besonders vielversprechende Maßnahmen sollten in Pilotstudien auf
ihre Akzeptanz, Wirksamkeit und Kosteneffektivität im Rahmen von DMPs
evaluiert werden.
Abstract
Background Nudges offer a wide range of options for protecting health in
everyday life that supplements traditional public health measures. Against this
background, we conducted initial investigations on the effectiveness and ethical
aspects of different nudges for promoting self-management of patients with
diabetes mellitus type 2 in the context of Disease Management Programs
(DMPs).
Methods The ethical assessment of the nudges was done within the
systematic framework of Marckmann et al. (2015) for public health ethics. The
existing evidence on the effectiveness of nudges was summarised by means of a
narrative literature review.
Results Target agreements with implementation plans, reminder, feedback
reports, shared appointments of patients with physicians, peer mentoring, and
behavior contracts are nudging interventions with moderate interference with
personal rights and relatively unproblematic ethical requirements, which have
demonstrated effectiveness in different contexts. Default enrollment for patient
training courses, involvement of partners, confrontation with social norms, and
shocking pictures may be effective as well; however, they interfere more deeply
with the freedom and privacy of patients and, therefore, are bound to stronger
ethical requirements and restrictions. The evidence base is still insufficient,
especially for social support measures by relatives and peers.
Conclusions Nudging offers a wide range of targeted interventions for
supporting self-management of patients with chronic diseases, the potential of
which has not yet been fully realized. Particularly promising interventions
should be tested in pilot studies for their acceptance, effectiveness and
cost-effectiveness in the context of DMPs.
Schlüsselwörter
Nudging - Diabetes Mellitus Typ 2 - Ethik - Gesundheitsökonomie
Key words
nudging - diabetes mellitus type 2 - ethics - health economics