ergopraxis 2022; 15(03): 1
DOI: 10.1055/a-1722-7032
Editorial

Endlich mehr Spielraum

Simone Gritsch

Ich bin ehrenamtlich in der Wohnberatung tätig. Das heißt, ich führe Hausbesuche bei Menschen durch, die sich aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung über mögliche Anpassungen im häuslichen Umfeld informieren möchten.

Kürzlich war ich bei einem Ehepaar – er demenziell erkrankt, sie mit chronischen Schmerzen, beide um die 80 Jahre alt, hochgradig sturzgefährdet und wohnhaft in einem sehr alten, beengten und verwinkelten Haus auf mehreren Etagen. Wir analysierten potenzielle Stolperfallen und Sicherheitslücken und besprachen mögliche Lösungen. Eigentlich alles ergotherapierelevante Themen, weshalb ich dazu ermutigte, doch mal beim Hausarzt nach einer Verordnung zu fragen. Umso überraschter war ich, als ich erfuhr, dass der Mann bereits seit Jahren zur Ergotherapie geht. Seine Frau reichte mir einen dicken Schnellhefter mit Papier-Bleistift-Übungen, in denen ihr Mann Lückentexte gefüllt, Zahlenreihen vervollständigt oder anderweitige Hirnleistungsaufgaben gelöst hatte. Nach dem Alltag und seinen Herausforderungen hatte nie jemand gefragt, auch nicht die Ehefrau als pflegende Angehörige einbezogen.

Therapie ab sofort auch außerhalb der Praxis möglich!

Sicherlich war eine Orientierung am individuellen Alltag bislang erschwert, wenn kein Hausbesuch verordnet wurde, Videotherapie nicht möglich war und die Therapie ausschließlich in den Praxisräumen stattfinden konnte. Daher begrüße ich es sehr, dass seit Anfang dieses Jahres die ergotherapeutische Leistungserbringung bei entsprechender Zielsetzung auch außerhalb der Praxis stattfinden kann (Seite 8). Ich bin überzeugt davon, dass wir auf diese Weise den Alltag vieler Menschen erleichtern und zu ihrem Wohlbefinden beitragen können (Seite 14).

Herzlichst

Ihre

Simone Gritsch



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Article published online:
23 February 2022

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