Nervenheilkunde 2022; 41(06): 428-430
DOI: 10.1055/a-1755-7952
Gesellschaftsnachrichten
Kopfschmerz News der DMKG

Intranasales Ketamin zur Akutbehandlung bei chronischem Clusterkopfschmerz

Katharina Kamm

****Petersen AS, Pedersen AS, Barloese MCJ, et al. Intranasal ketamine for acute cluster headache attacks – results from a proof-of-concept open-label trial. Headache 2022; 62: 26–35

Hintergrund

Für die Behandlung des Clusterkopfschmerzes steht nur eine begrenzte Anzahl akuter Behandlungen zur Verfügung, darüber hinaus sprechen ca. 20–30 % der Patienten nicht auf die bekannten Akutmedikationen an, sodass weitere Behandlungsoptionen notwendig sind. Ketamin wurde in kleineren nicht randomisierten Studien als prophylaktische Behandlung untersucht [1], [2]. Nun wurde erstmals Ketamin für die Akutbehandlung untersucht.


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Zusammenfassung

Chronische Clusterkopfschmerz-Patienten im Alter zwischen 18 und 60 Jahren ohne relevante Vorerkrankungen wurden am Danish Headache Center eingeschlossen. Die Ketamin-Gabe erfolgte am Zentrum während einer spontanen, typischen Clusterkopfschmerz-Attacke mit einer Intensität von mind. 6 auf der numerischen Schmerzskala (NRS). Alle Patienten erhielten 3 Gaben von 15 mg Ketamin nasal im Abstand von je 6 Minuten. 2 zusätzliche Dosierungen waren möglich, sofern keine Kopfschmerzfreiheit währenddessen eintrat sowie die Einnahme einer Notfallmedikation 15 Minuten nach erster Ketamin-Gabe. Anschließend wurden die Patienten 180 Minuten nachbeobachtet.

Primärer Endpunkt war eine ≥ 50 %ige Schmerzreduktion auf der NRS 15 Minuten nach erster Ketamin-Anwendung. Sekundärer Endpunkt war u. a. die ≥ 50 %ige Schmerzreduktion nach 30 Minuten und der Anteil der Patienten, die 15 Minuten nach Ketamin-Anwendung eine Schmerzreduktion auf < 4 auf der NRS erreichten. Zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 erhielten 20 chronische Clusterkopfschmerz-Patienten (m = 15, Ø 49 Jahre, n = 11 therapierefraktärer, Ø 3,3 Kopfschmerz-Attacken/Tag) nasales Ketamin während einer spontanen Clusterkopfschmerz-Attacke. Durchschnittlich erfolgten 3,7 Einnahmen Ketamin/Patient. Der primäre Endpunkt wurde nicht erreicht, nach 15 Minuten zeigte sich eine Reduktion der Schmerzintensität auf der NRS um –1,1 (NRS vor Ketamin-Gabe: 7,2 ± 1,3; NRS 15 Minuten nach Ketamin-Gabe: 6,1 ± 3,1; p = 0,188). 30 Minuten nach Ketamin-Gabe zeigte sich eine Reduktion der NRS um –4,3 (p > 0,001) und 69 % der Patienten gaben eine NRS unter 4 an. Eine vollständige Schmerzreduktion durch Ketamin gaben 40 % der Patienten an. Nebenwirkungen traten in 85 % der Patienten auf, am häufigsten Schwindel, Parästhesien, Benommenheit oder Übelkeit. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.


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Kommentar

Ketamin erhält für die Behandlung verschiedener Schmerzerkrankungen zunehmend mehr Aufmerksamkeit, wobei überwiegend Fallberichte veröffentlicht wurden und randomisierte, placebokontrollierte Studien für die Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen nicht vorliegen. Die Durchführung eines investigator initiated trials ist außerordentlich positiv zu bewerten und das Studiendesign ist in vielen Punkten gut gewählt. Dennoch gibt es Einschränkungen, wie die fehlende Kontrollgruppe, die durch ein Cross-over-Design erreicht hätte werden können. Des Weiteren muss auch die Anwendung bei einer Kopfschmerz-Intensität von 6/10 auf der NRS kritisch betrachtet werden. Dies könnte vielleicht eine Erklärung für den nicht erreichten primären Endpunkt nach 15 Minuten sein, da zu lange zugewartet wurde. Generell gilt, dass die Medikation besser wirkt, je schneller sie eingenommen wird.

Die deutliche Besserung nach 30 Minuten könnte auf einen Effekt von Ketamin hinweisen, letztlich müsste dies aber in einer randomisiert-kontrollierten Studie nachgewiesen werden. Es stellt sich die Frage, ob eine Wirkung nach 30 Minuten und eine Reduktion um 60 % der Schmerzintensität zur Behandlung von Cluster-Attacken schnell genug und ausreichend ist. Die Anwendung von maximal 75 mg Ketamin wurde gut vertragen, dennoch sind einige Nebenwirkungen beschrieben. Zusätzlich verpflichteten sich die Studienteilnehmer, 24 Stunden nach Anwendung kein Auto zu fahren, was für die Anwendung im Alltag einen großen Nachteil bedeuten könnte.

Katharina Kamm, München


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
07. Juni 2022

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