Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2022; 18(04): 301
DOI: 10.1055/a-1771-2513
Editorial

Beständigkeit und Wandel

Andreas Schneeweiss

Liebe Leserin, lieber Leser,

„nichts ist so beständig wie der Wandel“, erkannte schon der griechische Philosoph Heraklit. Auch wenn sie schon 2500 Jahre alt ist – an Aktualität hat seine Erkenntnis nichts eingebüßt. Corona, Krieg in Europa und die Energiekrise bestimmen derzeit unsere Schlagzeilen und erinnern uns daran, dass Gewohntes nicht selbstverständlich ist.

Das gilt genauso in der Wissenschaft. Forschung lebt davon, Altes zu hinterfragen und Neues zu entwickeln. Gerade in der Onkologie vergrößert sich das Wissen momentan rasant, was auch zahlreiche neue Therapieoptionen hervorgebracht hat. Davon können unsere Patientinnen profitieren – doch tun sie es auch?

Das beschäftigt beispielsweise die AXSANA-Studiengruppe, die das Axilla-Staging nach der inzwischen immer öfter genutzten neoadjuvanten Chemotherapie bei initial nodalpositivem Mammakarzinom auf den Prüfstand stellt. Erste Daten aus den beteiligten deutschen Studienzentren zeichnen jetzt erstmals ein Bild davon, welche Vorgehensweisen hierzulande am verbreitetsten sind und wie zuverlässig sie sind (S. 344ff.).

Ohne zu viel zu verraten: Nicht alles, was wir tun, ist optimal. Und unter Umständen entfernen wir Lymphknoten unnötigerweise. Noch unklar ist, wie sich die verschiedenen chirurgischen Staging-Verfahren auf den Verlauf der Krebserkrankung, die Lebensqualität und in Bezug auf Komplikationen unterscheiden. Bis 2030 will die international angelegte prospektive Studie aber auch diese Frage klären. Ob wir dann vielleicht auf neue Standards umsteigen müssen?

Auf dem Gebiet der molekularen Marker und neuen medikamentösen Krebstherapien sind wir schon längst dabei. Auch in diesem Jahr sind wieder viele Erkenntnisse dazugekommen, die uns mehr Handlungsspielraum bei der Brustkrebsbehandlung erlauben. Da fällt es manchmal schwer, noch den Überblick zu behalten – geschweige denn, all die Studienergebnisse selbst zu lesen.

In dieser Ausgabe der Senologie halten wir deshalb 2 Updates für Sie bereit, die das enorme Wissen komprimiert und schlüssig aufgearbeitet darstellen: eines zu den fortgeschrittenen Stadien des Mammakarzinoms (S. 353ff.) und eines zu den frühen Stadien (S. 365ff.). Darin berücksichtigen die Autoren sowohl aktuelle Publikationen als auch Ergebnisse, die auf den internationalen Kongressen vorgestellt wurden. Diese neuen Daten weisen nicht nur auf die Therapien der Zukunft hin, sondern bringen teilweise auch alte Grundregeln ins Wanken. So scheint die Ansicht, Geburten schützten vor Brustkrebs, nicht in Stein gemeißelt zu sein. Zumindest beim triple-negativen Mammakarzinom ist die Lage offenbar komplexer.

Für die Ewigkeit sind natürlich auch die neuesten Updates nicht gemacht. Die Autoren schreiben selbst, dass die Therapielandschaft in den kommenden Jahren durch die verschiedensten Studien und die Zulassung von Anti-HER2- und weiteren Medikamenten schon wieder anders aussehen wird. Der Wandel geht beständig weiter.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und grüße Sie herzlich.

Ihr
Andreas Schneeweiss



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Article published online:
06 December 2022

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