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DOI: 10.1055/a-1784-9330
Kommentar zu „Online verfügbare Informationen über Parotidektomien sind schwer verständlich“
*** Das Internet ist heute auch in den Bereichen Medizin und Gesundheit nicht mehr wegzudenken. Der Zugang über Suchmaschinen erscheint einfach, schnell und unkompliziert. Sehr viele Patient*innen nutzen die angebotenen Möglichkeiten und Informationsplattformen, um sich über Krankheitsbilder zu erkundigen, auszutauschen oder auch ihr Wissen zu vertiefen.
Wir alle kennen die typischen Patient*innen, die scheinbar gut gewappnet mit ihren Kenntnissen oder Pseudokenntnissen über die bereits von ihnen selbst diagnostizierte Erkrankung inkl. Ätiopathogenese und Therapievorschlägen in die Sprechstunde kommen. Nicht selten gilt es dann, zunächst deren Erkenntnisse richtig zuzuordnen.
Einerseits besteht die Gefahr, dass sich Patient*innen aufgrund der gewonnenen Informationen nicht an einen Arzt/eine Ärztin wenden, weil sie durch ein falsches oder falsch verstandenes Angebot Angst haben, zum Arzt/zur Ärztin zu gehen, oder dass sie das Krankheitsbild auch unterschätzen. Andererseits helfen uns die technischen Möglichkeiten in vielen Bereichen unseres Lebens, wie auch im Gesundheitswesen, wenn sie richtig und mit gesundem Menschenverstand eingesetzt werden. Dann können sie sehr vorteilhaft genutzt werden, um Patient*innen zu informieren und Ärzt*innen zu entlasten.
Genau deswegen kann es sich für Kliniken, Arztpraxen oder andere Teilnehmer*innen im Gesundheitswesen lohnen, Informationen über bestimmte Krankheitsbilder online zu stellen. Insofern bietet der hier vorgestellte Artikel einen ganz interessanten Einblick, welche Fehler man begehen kann bzw. was man beachten sollte, wenn man ein breites Laienpublikum ansprechen möchte.
Das von den Autor*innen ausgewählte Thema der Parotidektomie ist sicherlich als sehr HNO-fachspezifisch anzusehen und ist damit auch mit sehr speziellen Fachinformationen verbunden. Bei der Eingrenzung der zu beurteilenden Webseiten wurden professionelle Angebote wie Medline etc. und auch Werbeseiten bereits herausgefiltert. Ob der/die im Netz befindliche Patient*in in der Realität auch so vorgeht und hinterfragt, bevor er/sie mit dem Lesen beginnt („Wer ist für die Website verantwortlich?“, „Welchen Auftrag hat die Website und was wird ggf. beabsichtigt?“ oder noch einfacher: „Sind die Informationen aktuell?“), kann durch die Publikation leider nicht geklärt werden.
In ihrer Schlussfolgerung wird deutlich darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen die Inhalte der Webseiten von den Patient*innen nicht gut verstanden werden, weil sie für den Durchschnittsnutzer immer noch schwer zu verstehen bzw. zu lesen sind! Dies hat mit dem Inhalt und Aufbau der Texte zu tun.
Es sei zu beachten, dass sich der durchschnittliche amerikanische Erwachsene auf dem Leseniveau der 8. Klasse befindet. Die American Medical Association (AMA) empfiehlt daher, dass medizinische Informationen für Patient*innen auf einem Leseniveau von höchstens der 6. Klasse geschrieben sein sollten. Wir haben keine genauen Informationen über das durchschnittliche Leseniveau von Patient*innen aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern gefunden. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass es sich um ein ähnliches Niveau handelt.
Gerade deshalb finden wir diesen Artikel für Ärzt*innen oder Mitarbeiter*innen in Gesundheitsberufen so wichtig, wenn diese selbst Informationen über Krankheiten und Therapien auf ihren Websites für Patient*innen publizieren: Es wird darauf hingewiesen, in den Texten der Webseiten möglichst nichtmedizinische Wörter mit höchstens 2 Silben zu verwenden. Die Länge der Sätze sollte ebenfalls auf 8–10 Wörter begrenzt sein, und jeder Satz sollte eine einzige, klare Idee vermitteln. Eigentlich eine klare Sache, meint man, aber nur 20% der in dem Artikel bewerteten Internetinformationen hatten ein Leseniveau, welches dem empfohlenen Niveau der 6. Klasse entsprach. Weniger wäre also immer noch mehr für das Verstehen des Textes.
Trotz allem Enthusiasmus für das Internet und die Informationsgesellschaft möchten wir aber unbedingt betonen, dass das empathische Gespräch zwischen Arzt/Ärztin und Patient*in auch weiterhin in letzter Instanz durch nichts zu ersetzen ist. In dieser Situation können sich beide durch direkte Rückversicherung vergewissern, ob alle Informationen angekommen sind und diese ggf. nochmals mit anderen Worten transportieren. Und selbst in dieser Konstellation – das wissen wir alle z.B. von unseren täglichen Aufklärungsgesprächen mit patient*innengerechten standardisierten Texten für Operationen – können schon beim nächsten Termin erneut die gleichen Fragen gestellt werden.
Publication History
Article published online:
01 August 2022
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