CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(07): 706-718
DOI: 10.1055/a-1804-3268
GebFra Science
Review/Übersicht

Reanimationsmaßnahmen bei einem reifen kompromittierten und asphyktischen Neugeborenen: besser mit intakter Nabelschnur?

Article in several languages: English | deutsch
Friederike Ott
1   Frauenkliniken der Asklepios Kliniken Barmbek, Wandsbek und Nord-Heidberg, Hamburg, Germany
2   Asklepios Medical School, Hamburg, Germany
,
Angela Kribs
3   Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Universitätskinderklinik, Köln, Germany
,
Patrick Stelzl
4   Frauenklinik, Kepler Universitätsklinikum Linz, Linz, Austria
,
Ioannis Kyvernitakis
1   Frauenkliniken der Asklepios Kliniken Barmbek, Wandsbek und Nord-Heidberg, Hamburg, Germany
,
Michael Ehlen
5   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Marienhaus Klinikum Bendorf – Neuwied – Waldbreitbach, Neuwied, Germany
,
Susanne Schmidtke
6   Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Asklepios Kliniken Barmbek und Nord-Heidberg, Hamburg, Germany
,
Tamina Rawnaq-Möllers
1   Frauenkliniken der Asklepios Kliniken Barmbek, Wandsbek und Nord-Heidberg, Hamburg, Germany
,
Werner Rath
7   Universitätsfrauenklinik, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Kiel, Germany
,
Richard Berger
8   Frauenklinik, Marienhaus Klinikum Neuwied, Neuwied, Germany
,
Holger Maul
1   Frauenkliniken der Asklepios Kliniken Barmbek, Wandsbek und Nord-Heidberg, Hamburg, Germany
2   Asklepios Medical School, Hamburg, Germany
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Die Autoren stellen die Hypothese auf, dass insbesondere asphyktische, reanimationspflichtige reife Neugeborene nach der Geburt von einer Spätabnabelung (nach mehreren Minuten) profitieren könnten. Dafür sprechen plausible pathophysiologische Zusammenhänge. Die Autoren haben für ihr Review die verfügbaren Studien zusammengetragen. Aufgrund der vorliegenden Daten erscheint es nachteilig, ein asphyktisches Neugeborenes (z. B. nach Schulterdystokie) rasch abzunabeln, obwohl dies in den aktuellen Leitlinien gerade in dieser Situation empfohlen wird. Durch Kompression der Nabelschnur oder des Thorax ist der venöse Rückfluss stärker betroffen als der arterielle Fluss in die Plazenta. Sauerstoffreiches venöses Blut steht so nicht für die Versorgung des Fetus zur Verfügung. Das Neugeborene leidet bei der Geburt oftmals nicht nur unter einer Hypoxämie und konsekutiven Hypoxie, sondern womöglich häufig auch oder vor allem unter einer Hypovolämie. Ein sofortiges Abnabeln, insbesondere wenn diese noch vor Beginn der Atmung stattfindet, könnte die Lage des ohnehin kompromittierten Neugeborenen noch weiter verschärfen. Verzögertes Abnabeln hingegen führt zu einer fetoplazentaren Transfusion sauerstoffreichen venösen Bluts, das eine bestehende Azidose puffern könnte. Zudem wird auf diese Weise das Blutvolumen um bis zu 20% gesteigert, was zu einem Anstieg aller Blutbestandteile führt, z. B. rote und weiße Blutzellen, Thrombozyten, mesenchymale Stammzellen, Immunglobuline, Eisen. Außerdem kommt es zu einer Erhöhung der pulmonalen Perfusion, was zusätzlich zu einem Ausgleich einer bestehenden Hypoxämie oder Hypoxie beitragen könnte. Wird zu früh, vor Eröffnung der Lungenstrombahn, abgenabelt, fehlt dem linken Ventrikel die für einen funtionierenden Kreislauf notwendige Vorlast. Sowohl tierexperimentelle als auch klinische Studien untermauern diese Auffassung. Die Autoren werfen die Frage auf, ob eine Reanimation kompromittierter Neugeborener bei intakter Nabelschnur günstiger sein könnte. Geburtshilfliche und neonatologische Teams sollten noch enger zusammenarbeiten, um eine Verbesserung des neonatologischen Outcomes zu erreichen.



Publication History

Received: 03 November 2021

Accepted after revision: 18 March 2022

Article published online:
23 June 2022

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