Dtsch Med Wochenschr 2022; 147(20): 1297-1298
DOI: 10.1055/a-1818-1331
Editorial

Die COVID-19-Pandemie – ein epochales Ereignis

The COVID-19 pandemic – an epochal event
Uwe Janssens
,
Marylyn M. Addo
,
Michael von Bergwelt-Baildon
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Uwe Janssens

Am 30.12.2019 informierte der chinesische Arzt Li Wenliang in einer Chatgruppe seine Kollegen über 6 Patienten mit V. a. SARS (severe acute respiratory syndrome) in Wuhan. Li selbst erkrankte später an COVID-19 (coronavirus disease 2019) und verstarb am 6. Februar 2020. Am 31.12.2019 bestätigten die chinesischen Behörden in Wuhan dutzende Fälle einer neuen Viruserkrankung. Die WHO zeigte sich dann schon Anfang Januar 2020 alarmiert über diese Entwicklung. Am 9.1.2020 wurde erstmalig über „rätselhafte“ Lungenerkrankungen in Wuhan berichtet, die auf ein bisher unbekanntes Virus zurückgeführt wurden. Die dann nach und nach gewonnenen Erkenntnisse und die in der Folge weltweite Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2) werden als epochales Ereignis in die Menschheitsgeschichte eingehen ([Tab. 1]). Stand 31.8.2022 werden weltweit 602 830 459 Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus berichtet, 6494 021 Menschen sind an der COVID-19 Erkrankung verstorben [3].

Tab. 1

Chronologie der COVID-19-Pandemie (coronavirus disease 2019) (nach [2]).

Datum

Ereignis

30.12.2019

Chinesischer Arzt Li Wenliang informiert in einer Chatgruppe seine Kollegen über 6 Patienten mit V. a. SARS in Wuhan

31.12.2019

Chinesische Behörden in Wuhan bestätigen dutzende Fälle einer neuartigen Viruserkrankung

6.1.2020

WHO alarmiert: Rätselhafte Lungenkrankheit in China

9.1.2020

Lungenkrankheit durch unbekannten Coronavirus-Typ

13.1.2020

Komplette RNA-Genomsequenz eines Isolats des neuen Coronavirus in der NCBI-GenBank hinterlegt

21.1.2020

Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich

25.1.2020

Das Virus erreicht Europa: Frankreich meldet 3 Fälle

28.1.2020

Erster Corona-Fall in Deutschland

30.1.2020

WHO: gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite

WHO = World Health Organization; SARS = severe acute respiratory syndrome; RNA = ribonucleic acid; NCBI = National Center for Biotechnology Information; GenBank = US-amerikanische DNA-Sequenzdatenbank.

Die COVID-19-Pandemie nimmt in der Liste der weltweiten Pandemien im Laufe der Jahrhunderte nach nur 2½ Jahren den Platz 5 angesichts der hohen Zahl der Todesopfer ein. Auf Platz 4 findet sich die HIV-AIDS-Pandemie, die seit 1981 ca. 36,3 Millionen Menschenleben forderte [8]. In der PubMed-(Public Medicine)-Datenbank finden sich unter der Suchstrategie „COVID-19“ (31.8.2022) 261 091 Einträge [6]. Im Vergleich dazu ergibt die Suchstrategie „influenza“ 149 984 Publikationen [7]. Der Wissenszuwachs zu SARS-CoV-2, der COVID-19-Erkrankung und der therapeutischen Möglichkeiten ist exponentiell, gigantisch und mittlerweile kaum noch überschaubar. Gerade vor dem Hintergrund fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse und zielgerichteter Therapien zu Beginn der Therapie war es zwingend notwendig, die immense Flut an Daten und Publikationen zu sichten, einzuordnen, zu bewerten und Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie zu formulieren. Es ist sicherlich ein großer Verdienst des Hamburger Intensivmediziners Stefan Kluge, gemeinsam mit Kolleg*innen schon direkt zu Beginn der Pandemie entsprechende Empfehlungen erarbeitet [4] und kontinuierlich auf ein hohes Evidenzniveau einer S3-Leitlinie weiterentwickelt zu haben [5].

Das Dossier in dieser Ausgabe beleuchtet 2 wesentliche Aspekte, die in der täglichen Arbeit für Kliniker, aber auch der niedergelassenen Kolleg*innen von großer Bedeutung sind:

Der Beitrag von B. Sensen et al. geht auf die aktuellen medikamentösen Therapiemaßnahmen bei akuter SARS-CoV-2-Infektion ein. Neben den antiviralen Therapieansätzen in der Frühphase werden die Möglichkeiten einer immunmodulatorischen Therapie, die Präexpositions-Prophylaxe einer Coronavirus-19-Erkrankung sowie die Thromboembolie-Prophylaxe und Antikoagulation differenziert dargestellt. Ganz wesentlich ist hierbei der Hinweis auf ein stetig aktualisiertes Online-Tool, das gemeinsam mit der Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin am RKI (COVRIIN) entwickelt wurde [1].

Angesichts der hohen Infektionszahlen in Deutschland, aber auch weltweit spielen mittel- und langfristige Folgen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und einer COVID-19-Erkrankung definitiv in allen betroffenen Altersgruppen eine zunehmende Rolle, die in ihren nachhaltigen Auswirkungen für die betroffenen Patient*innen derzeit kaum abzuschätzen ist. H. Renz-Polster und C. Scheibenbogen beschreiben das Post-COVID-Syndrom (PCS), respektive Long-COVID, mit den damit verbundenen Symptomen und Folgen für die wachsende Zahl von Betroffenen. Die Pathogenese ist weiterhin noch unklar – die Symptome Fatigue, Belastungsintoleranz, aber v. a. das myalgische Enzephalomyelitis-/Chronisches-Fatigue-Syndrom (ME/CFS) sollten frühzeitig erkannt und einer entsprechenden Diagnostik zugeführt werden. Die Autor*innen betonen zu Recht, dass nach einer COVID-19-Erkrankung und persistierenden unklaren Symptomen nicht vorschnell die Diagnose einer psychischen oder funktionellen Störung gestellt werden sollte.

Wir danken allen Autor*innen für ihre wertwollen und inhaltsstarken Beiträge und wünschen Ihnen, den Leserinnen und Lesern, eine aufschlussreiche Lektüre!

Ihre
Uwe Janssens, Marylyn M. Addo, Michael von Bergwelt-Baildon



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. Oktober 2022

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