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DOI: 10.1055/a-1861-8819
Positive Lebenseinstellung und stetes Lernen sind die Standbeine beruflichen Erfolges
Prof. Ingrid Moll im Gespräch mit Prof. Helmut SchöferWarum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?
Im klinischen Teil meines Medizinstudiums in Frankfurt am Main stach die Dermatologievorlesung von Prof. T. Nasemann durch Lebendigkeit, Anschaulichkeit und hochgradigen Bezug auf aktuelle Patienten mit anschaulichen (das Fach bringt es mit sich!) und oft genug unvergesslichen Befunden heraus. Ich entschied mich dann für die Dermatologie als Wahlfach im praktischen Jahr, um tiefer in die Materie einzusteigen. Ein gutes Team ausgewiesener Spezialisten in der Klinikleitung (Chefs, Oberärzte) und eine sehr menschliche Arbeitsumgebung mit sich gegenseitig unterstützenden Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung machte es einfach, vom Studentenleben in die Berufswelt zu wechseln
Sind Sie mit Ihrer Wahl zufrieden und warum?
Ja, ohne Einschränkung! Nach nun über 40 Jahren ärztlicher Tätigkeit in der Dermatologie und Venerologie kann ich bis heute sagen, das Fach ist unglaublich vielfältig und immer interessant geblieben. Ich gehe auch heute noch gerne zur Arbeit.
Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?
Meine Spezialisierung auf Infektionen in der Dermatologie (Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Infektionen, ADI-TD) und die Venerologie (viele Jahre Mitarbeit im Vorstand und Leitlinienarbeit) haben es u. a. möglich gemacht, weltweit Kollegen kennenzulernen, Vorträge zu halten und infektiologische Kurse in exotischen Ländern wie Sri Lanka, Panama, Ecuador, Indonesien, Kambodscha und Brasilien durchzuführen. Die Verleihung der Schaudinn-Hoffmann-Plakette durch die DDG setzte ein sehr schönes Ausrufezeichen hinter diese Aktivitäten.
Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Gleich einer der ersten schweren Fälle in meinem ersten Ausbildungsjahr. Ein damals 35-jähriger Mann mit einer weit fortgeschrittenen Mycosis fungoides im Tumorstadium. Er war kachektisch und übersät mit nekrotisch-ulzerierenden Hauttumoren. Wir konnten ihn damals mangels jeglicher spezifischen Therapie und palliativmedizinischer Einrichtungen nur mit symptomatischen Medikamenten über mehrere Monate bis zum Tod begleiten. Trotz aller später gesehenen und v. a. bis ca. 1995/96 fast obligat verstorbenen Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung/AIDS ein unvergessener Patient.
Von wem haben Sie besonders viel gelernt?
Das gemeinsame Erarbeiten schwieriger Differenzialdiagnosen und spezieller Therapien im über die Jahrzehnte natürlich stark wechselnden Ärzteteam der Universitätshautklinik Frankfurt/M. war mit Abstand der wichtigste Beitrag zum Lernen in der Dermatologie. Er ist bei weitem nicht abgeschlossen! Dabei möchte ich gerne unterscheiden: Es gab Kollegen/Kolleginnen mit unglaublichem Fachwissen ebenso wie Kollegen/Kolleginnen, von denen ich lernen konnte, nicht nur die Krankheit, sondern auch den ganzen Menschen dahinter zu verstehen.
Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?
„Es gibt Fälle, da ist therapeutisches Nichtstun besser als jede Behandlung“ (P. Altmeyer). Bis dahin stand ich immer (!) unter dem Druck, dem Patienten eine möglichst ausgeklügelte Therapie anbieten zu „müssen“. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es in einigen Fällen klüger ist, mit dem Patienten alle Vorzüge und Nachteile einer Therapie zu besprechen und zunächst den Spontanverlauf zu beobachten. Das gilt selbstverständlich nicht für maligne Tumoren und Systemerkrankungen. Gelingt es, einen Patienten über die kritische Zeit so mancher Erkrankung hinweg mit einfachen, symptomatischen Therapien zu begleiten, ohne ihm zu schaden, kann ihm/ihr entscheidend geholfen sein.
Was ist momentan die wichtigste Entwicklung der Dermatologie?
Neue hochspezifische Möglichkeiten in die Pathomechanismen der Entzündungsprozesse und der Tumorentstehung bzw. die Tumorprogression einzugreifen, zeigen Erfolge, die ich mir vor 20 Jahren nicht vorstellen konnte (Psoriasis, atopische Dermatitis. Autoimmunerkrankungen und das fortgeschrittene maligne Melanom möchte ich hier gerne als Beispiele nennen). In meinem Spezialgebiet, der dermatologischen Infektiologie, stehen neue Impfungen im Vordergrund. Es ist zu erwarten, dass der Riesenschub, den die Vakzinierungserfolge bei der COVID-19-Infektion mit den mRNA-Impfstoffen in den letzen eineinhalb Jahren ausgelöst haben, in Kürze auch zu Erfolgen bei anderen Infektionskrankheiten führen wird. Ich denke dabei an die HIV-Infektion, die Syphilis, die Tuberkulose und andere schwere Infektionen, die v. a. in Ländern mit armutsbedingt niedrigen medizinischen Standards und durch rasch sich entwickelnde Resistenzen noch immer zu unendlichem Leid führen.
Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?
Die gute Zugänglichkeit unseres Organs und ein unermüdlicher Forscherdrang vieler dermatologischer Kollegen hat zum Verständnis grundsätzlicher Prozesse bei Entzündungen und Tumoren geführt. Eine ganze Reihe dieser Erkenntnisse kann auch für Behandlung von Erkrankungen auf anderen Fachgebieten (Innere Medizin, Neurologie usw.) eingesetzt werden. Bis zum vollen Verständnis der verschiedenen Mikrobiome unseres Körpers und deren positiver Beeinflussung bei krankheitsauslösenden Störungen ist es noch ein weiter Weg. Das Hautmikrobiom wird hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Was raten Sie jungen Kollegen?
Versuchen Sie, sich die Freude an der täglichen Arbeit, über die lange Zeit des Berufslebens, zu erhalten. Wichtig hierfür sind eine konsequent positive Einstellung im Umgang mit Patienten (auch den „komplizierten“) und Mitarbeitern (jeder medizinischen Berufsgruppe!) und die Erkenntnis, dass stetes Lernen in der Medizin keine Last, sondern die Grundvoraussetzung für beruflichen Fortschritt und Zufriedenheit ist. Mit zunehmendem Wissen und Erfahrung wachsen die Chancen kranken Menschen helfen zu können. Sie sind die Standbeine des beruflichen Erfolges.
Was machen Sie abends nach Feierabend als Erstes?
Mittlerweile zunächst einen 15-minütigen „Powernap“, der mich auch nach einem anstrengenden Arbeitstag für die schönen Dinge der Freizeit (Familie, Radfahren, Lesen, Vorträge, Reiseplanung etc.) wieder auf die Beine bringt!
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Helmut Schöfer
DKD Helios Klinik Wiesbaden GmbH
Aukammallee 33
65191 Wiesbaden
Deutschland
helmutschoefer.ni@gmail.com
Publication History
Article published online:
14 November 2022
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