CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(01): 106-115
DOI: 10.1055/a-1866-2792
GebFra Science
Original Article

Künstliche Intelligenz in der Reproduktionsmedizin – eine ethische Betrachtung

Article in several languages: English | deutsch
1   Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany (Ringgold ID: RIN9170)
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Uta Bittner
1   Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany (Ringgold ID: RIN9170)
2   Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, Regensburg, Germany (Ringgold ID: RIN84614)
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2   Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, Regensburg, Germany (Ringgold ID: RIN84614)
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Jan-Steffen Krüssel
3   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitäres interdisziplinäres Kinderwunschzentrum Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
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Tanja Fehm
4   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
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5   Juniorprofessur für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung, Universität Potsdam, Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Potsdam, Germany
6   Forschungsstelle „Ethik der Genom-Editierung“, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Eberhard-Karls-Universität Tübingen Medizinische Fakultät, Tübingen, Germany
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Heiner Fangerau
1   Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany (Ringgold ID: RIN9170)
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Künstliche Intelligenz findet Eingang in alle Bereiche der Medizin. In der Reproduktionsmedizin können Methoden der künstlichen Intelligenz dazu genutzt werden, die Auswahl und Prädiktion von Spermazellen, Eizellen und Embryonen zu verbessern sowie bessere Vorhersagemodelle für die In-vitro-Fertilisation zu generieren. Der Einsatz künstlicher Intelligenz wird durch das Leiden der Personen oder Paare an einem unerfüllten Kinderwunsch gerechtfertigt. Die Forschung zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Reproduktionsmedizin befindet sich aber noch in einem sehr frühen experimentellen Stadium und wirft zudem komplexe normative Fragen auf. Forschungsethische Herausforderungen bestehen aufgrund der häufig fehlenden Evidenzen bezüglich der Wirksamkeit entsprechender Systeme sowie aufgrund der erschwerten Bedingungen einer informierten Einwilligung der Betroffenen. Ethisch relevant sind zudem mögliche Risiken für die Nachkommen und die adäquate Aufklärung. Die Chance, einen Kinderwunsch zu erfüllen, wiederum berührt das Patient*innenwohl und den Ermöglichungscharakter der reproduktiven Autonomie. Zuletzt haben bessere Prognosen und mehr Zeit der Ärzt*innen für ihre Patient*innen einen positiven Effekt. Gleichwohl müssen Kliniker*innen mit den Patient*innendaten verantwortungsbewusst umgehen können. Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz ist eine Vielzahl an Akteur*innen bei der Diagnose- und Therapiestellung beteiligt, woraus sich Fragen nach Verantwortlichkeiten bei Fehlern ergeben. Gerechtigkeitsfragen stellen sich bezüglich der zukünftigen Kostenerstattung und Ressourcenallokation. Bis zum klinischen Einsatz der künstlichen Intelligenz sind zuletzt die Datenquantität und -qualität kritisch zu betrachten und Fragen der Transparenz zu lösen. Mittel- und langfristig wäre eine Auseinandersetzung mit unerwünschten Effekten und Sozialdynamiken notwendig, die mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Reproduktionsmedizin einhergehen könnten.



Publication History

Received: 23 December 2021

Accepted after revision: 29 May 2022

Article published online:
11 January 2023

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