Zusammenfassung
Künstliche Intelligenz findet Eingang in alle Bereiche der Medizin. In der Reproduktionsmedizin können Methoden der künstlichen Intelligenz dazu genutzt werden, die Auswahl und Prädiktion
von Spermazellen, Eizellen und Embryonen zu verbessern sowie bessere Vorhersagemodelle für die In-vitro-Fertilisation zu generieren. Der Einsatz künstlicher Intelligenz wird durch das Leiden
der Personen oder Paare an einem unerfüllten Kinderwunsch gerechtfertigt. Die Forschung zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Reproduktionsmedizin befindet sich aber noch in einem
sehr frühen experimentellen Stadium und wirft zudem komplexe normative Fragen auf. Forschungsethische Herausforderungen bestehen aufgrund der häufig fehlenden Evidenzen bezüglich der
Wirksamkeit entsprechender Systeme sowie aufgrund der erschwerten Bedingungen einer informierten Einwilligung der Betroffenen. Ethisch relevant sind zudem mögliche Risiken für die Nachkommen
und die adäquate Aufklärung. Die Chance, einen Kinderwunsch zu erfüllen, wiederum berührt das Patient*innenwohl und den Ermöglichungscharakter der reproduktiven Autonomie. Zuletzt haben
bessere Prognosen und mehr Zeit der Ärzt*innen für ihre Patient*innen einen positiven Effekt. Gleichwohl müssen Kliniker*innen mit den Patient*innendaten verantwortungsbewusst umgehen
können. Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz ist eine Vielzahl an Akteur*innen bei der Diagnose- und Therapiestellung beteiligt, woraus sich Fragen nach Verantwortlichkeiten bei Fehlern
ergeben. Gerechtigkeitsfragen stellen sich bezüglich der zukünftigen Kostenerstattung und Ressourcenallokation. Bis zum klinischen Einsatz der künstlichen Intelligenz sind zuletzt die
Datenquantität und -qualität kritisch zu betrachten und Fragen der Transparenz zu lösen. Mittel- und langfristig wäre eine Auseinandersetzung mit unerwünschten Effekten und Sozialdynamiken
notwendig, die mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Reproduktionsmedizin einhergehen könnten.
Schlüsselwörter künstliche Intelligenz - Reproduktionsmedizin - Infertilität - Medizinethik - Forschungsethik