PSYCH up2date 2023; 17(06): 513-526
DOI: 10.1055/a-1869-3209
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-11

Charlotte Rosenbach
,
Babette Renneberg

Bei der Versorgung von Personen mit psychischen Störungen stellen Persönlichkeitsstörungen oftmals eine große Herausforderung dar. Es ist daher von großer Bedeutung, Persönlichkeitsstörungen akkurat zu diagnostizieren und zu klassifizieren. Der Beitrag gibt einen Überblick über die neue Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-11 und zeigt die verschiedenen Schritte und Beispiele des diagnostischen Prozesses auf.

Kernaussagen
  • Persönlichkeitsstörungen können sowohl Ursache als auch aufrechterhaltender Faktor von anderen psychischen Störungen sein.

  • Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung müssen die allgemeinen Kriterien erfüllt sein. Diese umfassen die Dauer von mind. 2 Jahren sowie die Manifestation von Beeinträchtigungen in den Bereichen der Kognition, Emotion und Verhalten. Es müssen verschiedene Lebensbereiche betroffen sein und die Symptome zu signifikanten Beeinträchtigungen führen.

  • In der ICD-11 können Persönlichkeitsstörung in „leichtgradig“, „mittelgradig“ und „schwergradig“ klassifiziert werden. Die jeweilige Einteilung erfolgt in Abhängigkeit der Schwere der Beeinträchtigungen in den Bereichen des Selbst und der interpersonellen Beziehungsgestaltung.

  • Zu den Bereichen des „Selbst“ zählen Aspekte der Identität, des Selbstwerts, der Selbstreflexion und der Selbststeuerung. Aspekte im Bereich der „interpersonellen Beziehungsgestaltung“ sind Interesse an Beziehungen zu anderen, Empathie, Fähigkeit zur Intimität und Konfliktfähigkeit.

  • Zusätzlich können optional bis zu 5 Merkmalsausprägungen kodiert werden. Diese sind „negative Affektivität“, „Verschlossenheit“, „Dissozialität“, „Enthemmtheit“ und „Zwanghaftigkeit“.

  • Des Weiteren besteht die Möglichkeit, ein „Borderline-Muster“ zu diagnostizieren.

  • Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sollten Selbst- und Fremdeinschätzungsinventare kombiniert genutzt werden. Dabei ist zu empfehlen, sowohl den Schweregrad der Beeinträchtigung als auch die Ausprägung in den Merkmalsbereichen diagnostisch zu beurteilen. In jedem Fall sollte immer der klinische Eindruck berücksichtigt werden.



Publication History

Article published online:
03 November 2023

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