MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2022; 26(04): 165
DOI: 10.1055/a-1869-5402
Gasteditorial

Kommunikation während der Dokumentation

Veronika Schoeb

Die Dokumentation in Bezug auf physiotherapeutische Behandlungen, sei es auf Papier oder in elektronischer Form, ist heute aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Aus rechtlichen, wirtschaftlichen und klinischen Gründen werden Anamnesen, Untersuchungsbefunde, Behandlungspläne und Heimprogramme erstellt und in virtuelle oder physische Ordner abgelegt. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe, mit diesmal einem Einführungs- und zwei Vertiefungsartikeln, geht ausführlich und sehr informativ auf diese Gründe ein und gibt eine Orientierung, wie dies praktisch umgesetzt werden könnte.

Die Anforderungen bezüglich der Qualitätsüberprüfung, des Clinical-Reasoning-Prozesses und der Rechtfertigung der Arbeit steigen in der Physiotherapie zunehmend, und mehr und mehr Zeit muss für die Dokumentation und Administration der klinischen Tätigkeit aufgewendet werden. Zu diesen Anforderungen kommt hinzu, dass der Berufsstand viel Wert auf Objektivität [1] und standardisierte Prozesse [2] legt. Doch wie können wir diese Anforderungen in Bezug auf Dokumentation mit dem klinischen Alltag, und vor allem mit dem Anspruch an qualitativ hochstehende Behandlungen unter einen Hut bringen? Und wie wirken sich diese Anforderungen auf die therapeutische Beziehung aus?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, untersuchten wir in einer Studie, wie Patient*innen und Physiotherapeut*innen während der Dokumentationsaktivitäten miteinander kommunizieren [3]. Wir konnten zeigen, dass sich die Kommunikation der Therapeut*innen häufig an der Dokumentationsstruktur orientiert, ohne dass diese auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen eingehen. Dies zeigte sich zum einen in der Art und Weise, wie die Therapeut*innen Fragen stellten, und zum anderen daran, dass sie an einer vorgegebenen Reihenfolge der Fragen festhielten. Dadurch glich die Anamnese eher dem Abhaken eines Fragebogens oder einer Checkliste als einer (patientenorientierten) Konversation. Wir stellten auch fest, dass das Papier oder der Computer ins Zentrum der Interaktion rückt, was zur Folge haben kann, dass eine patientenzentrierte Kommunikation nicht mehr möglich ist.

Die Einführung standardisierter Befunderhebung und Evaluationsmethoden bringt mit sich, dass wir überlegen sollten, wie wir diese Aspekte interaktiv in die Kommunikation einbauen. Wie wäre es zum Beispiel, einmal eine Sitzung zu filmen und diese mit Arbeitskolleg*innen anzuschauen, um gegebenenfalls Änderungen im Prozess oder der Kommunikation mit Patient*innen zu entwickeln? Das wäre ein guter Ansatz für eine kontinuierliche Qualitätsüberprüfung der klinischen Arbeit.

Mit diesen Anregungen wünsche ich Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieser Ausgabe!

Veronika Schoeb, PhD, MHA, PT



Publication History

Article published online:
12 September 2022

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany