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DOI: 10.1055/a-1870-1902
Nachruf für Gerd Glaeske (13.05.1945–27.05.2022)
Der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske ist am 27. Mai kurz nach seinem 77. Geburtstag gestorben. Gerd Glaeske war gelernter Apotheker. Sein eigentliches Interesse aber galt der Frage, wie der Arzneimittelmarkt funktioniert, welche Interessen dort zum Tragen kommen und wie die Evidenzbasierung in der Arzneimittelversorgung gestärkt werden kann. Das hat ihn zunächst zu den Ersatzkassen geführt, bei denen er in verschiedenen Funktionen tätig war und denen er bis zu seinem Tod in wissenschaftlichen Kooperationsprojekten verbunden blieb. Seit über 20 Jahren war er Professor für Arzneimittelanwendungsforschung am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen. Von 2003 bis 2010 war er Mitglied des Sachverständigenrats Gesundheit. Den Blick auf die Praxis hat er gleichwohl nie verloren: Seine erste Frau war noch bis vor wenigen Jahren als Apothekerin in Bremen tätig.
Für die Medien war Gerd Glaeske als „Pharmakritiker“ immer wieder gefragter Interviewpartner und hat so mit seinen klaren Statements auch eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Dabei galten seine pharmakritischen Kommentare nicht nur „Big Pharma“. Auch mit den Homöopathie-Herstellern hat er sich angelegt, auch diese haben ihn, wo sie in der Sache nicht gewinnen konnten, juristisch bekämpft. Eine Auswahl seiner Kommentare, die über die Jahre beim Mabuse-Verlag erschienen sind, für den er gerne geschrieben hatte, wurde im letzten Jahr dort als Sammelband „Auf Kosten der Patienten?“ veröffentlicht.
Gerd Glaeske war aber bei weitem nicht nur „Pharmakritiker“. Er verstand sich als Stimme der Public Health-Community und hat sich bei vielen Themen und vielen Gelegenheiten engagiert zu Wort gemeldet, beim Kongress „Armut und Gesundheit“ ebenso wie zuletzt in der Corona-Krise, wo er Mitautor von Thesenpapieren war, die öffentlichkeitswirksam auf Defizite der Corona-Politik hingewiesen haben. Eines seiner letzten großen Projekte war das „Länger besser leben“-Institut, ein Kooperationsprojekt der Uni Bremen und der BKK24, dessen wissenschaftlicher Leiter er war. Ziel des Instituts ist die Unterstützung evidenzbasierter Prävention und Gesundheitsförderung.
In Nachrufen steht oft zu lesen: „Seine Stimme wird fehlen“. Die Stimme Gerd Glaeskes, des menschenfreundlichen Mahners, wird wirklich fehlen. Wenn es einen Himmel für Pharmazeuten gäbe, dann wäre er jetzt sicher dort und stünde in einer Apotheke, in der es nur wirksame und nebenwirkungsfreie Medikamente für gut informierte Patient*innen gibt.
Dr. Joseph Kuhn, Dachau
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
14. Juli 2022
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