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DOI: 10.1055/a-1891-8288
Ein Tänzchen zum Schluss
In physiopraxis 7-8/22 hat meine Themenscout-Kollegin Claudia Kemper einen eindrucksvollen Text über Trauer und den Tod von Patient*innen geschrieben. Daraufhin fiel mir eine Geschichte wieder ein.
Es ist einige Monate her, dass mich eine sehr enge Freundin und zugleich erfahrene Physiotherapeutin besuchte und erzählte: „Du, einer meiner Patienten ist verstorben. Ich habe ihn nur wenige Male in der Praxis behandelt. Trotzdem berührt mich sein Tod, und meine aufkommenden Gefühle verunsichern mich. Ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Du und deine Kollegen, ihr seid doch häufiger mit Tod, Leid und traumatischen Erlebnissen konfrontiert. Wie macht ihr das?“ Tja, dachte ich, wie machen wir Physios das? Ihre Frage klang noch einige Zeit in mir nach.
„Wege, mit Trauer umzugehen, können äußerst vielfältig sein.“
Welcher Weg ist in der Bewältigung von Trauer der richtige? Diese Frage konnten und wollten wir an diesem langen, emotionalen Abend nicht abschließend klären. Aber eines stand für meine Freundin fest: „Ich gehe zur Beerdigung!“
Bei uns in der Klinik tauschen sich manche Kollegen aus und wollen intensiv darüber reden, andere werden ganz still, es werden Fenster geöffnet, um die Seele in die Freiheit zu entlassen, oder der „Tree of Life“ wird gepflegt. Ich lache viel, nicht über die Patienten, aber mit ihnen, denn trotz aller Traurigkeit sind da ebenso amüsante Momente. Insgesamt gibt es auch in meiner Geschichte Patientengesichter, die mich lebenslang begleiten werden.
Meine Freundin hat unterdessen ihren Weg gefunden. Sie und ihr Patient waren begeisterte Tangotänzer, und so machte sie zum Abschied am Grab ein letztes Solotänzchen. Welcher ist Ihr Weg?
Es grüßt Sie herzlich
Andrea Wilck
Publication History
Article published online:
19 September 2022
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