Neurologie up2date 2023; 06(03): 225-244
DOI: 10.1055/a-1899-0954
Immunvermittelte und erregerbedingte Erkrankungen des ZNS

Multiple Sklerose in Schwangerschaft und Stillzeit

Nadine Bast
,
Sandra Thiel
,
Kerstin Hellwig

Multiple Sklerose (MS) betrifft primär Frauen im gebärfähigen Alter. Daher stellt sich die Frage, welche MS-Therapien mit einer Familienplanung vereinbar sind. Es gilt, die Therapieoption mit dem größten Nutzen für die Mutter und dem geringsten Risiko für das Kind zu finden. Dieser Artikel fasst die aktuelle Datenlage zur Anwendung von verlaufsmodifizierender Therapie (Disease modifying Therapy, DMT) in der Schwangerschaft und Stillzeit zusammen.

Kernaussagen
  • Eine Diagnose Multiple Sklerose (MS) stellt keinen Risikofaktor für eine Schwangerschaft dar. Die meisten Frauen werden einen normalen Schwangerschaftsverlauf mit einem günstigen Geburtsausgang haben und gesunde Kinder zur Welt bringen.

  • Vor Beginn immunmodulatorischer Therapien sollten Impfungen aufgefrischt oder nachgeholt werden. Die Impfempfehlungen der STIKO für die Schwangerschaft gelten therapieunabhängig auch für Frauen mit MS. Lebendimpfungen bei Neugeborenen, deren Mütter monoklonalen Antikörpern während der Schwangerschaft exponiert waren, sollten ggf. verschoben werden.

  • Schwangerschaften können bei stabilisierter Krankheitsaktivität in enger Abstimmung mit den behandelnden Neurologen geplant werden.

  • Frauen mit hochaktivem Krankheitsverlauf können eine Schwangerschaft nach Anti-CD-20-Antikörper-Therapie, nach Cladribin-Therapie oder unter Natalizumab planen. Natalizumab sollte in der Schwangerschaft weitergeführt werden.

  • Die überwiegende Mehrheit der Frauen wird durch die Schwangerschaft keine dauerhafte Behinderung erleiden.

  • Um einen Rebound zu vermeiden, dürfen Natalizumab und S1P-Rezeptor-Modulatoren nicht ohne Alternativtherapie abgesetzt werden.

  • Frauen, die stillen möchten, sollten bei der Umsetzung des ausschließlichen Stillens in den ersten 6 Monaten postpartum unterstützt werden.

  • Ein zügiger Therapiebeginn postpartum wird bei Frauen mit hoher Krankheitsaktivität und Frauen, die nicht stillen möchten, empfohlen.

  • Während der Stillzeit kann mit Interferon-β, Glatirameracetat oder Ofatumumab therapiert werden.

  • Schwere Schübe können in der Schwangerschaft mit Glukokortikosteroiden (GKS) therapiert werden (zurückhaltender im 1. Trimenon aufgrund des potenziell erhöhten Spaltbildungsrisikos). In der Stillzeit wird zu einer 4-stündigen Stillpause nach GKS-Gabe geraten.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. September 2023

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