Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(19): 1213-1214
DOI: 10.1055/a-1937-8289
Editorial

Think Tbc!

An Tuberkulose denken, rechtzeitig diagnostizieren und sachgerecht behandelnThink TB: keeping Tuberculosis in mind, diagnosing it and treating it correctly
Marylyn M. Addo

Die globale Krankheitslast durch Tuberkulose-Erkrankungen bleibt trotz der positiven Entwicklungen und Veränderungen in der Tuberkulose-Bekämpfung der letzten Jahre weiterhin erheblich. Im Jahr 2021 erkrankten schätzungsweise 10,6 Millionen Menschen weltweit an Tuberkulose (Tbc) mit 1,6 Millionen Todesfällen. Diese Zahlen bedeuten eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr (2020: 9,9 Millionen Neuinfektionen und 1,5 Millionen Todesfälle). Man geht darüber hinaus aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für beide Jahre von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus.

Die Geschichte der Tbc verdeutlicht, dass bewaffnete Auseinandersetzungen und humanitäre Krisen die Ausbreitung dieser Krankheit begünstigen können. Besonders in Regionen mit militärischen Konflikten und Notlagen sowie während Fluchtsituationen leben Menschen häufig unter suboptimalen hygienischen und gesundheitsgefährdenden Bedingungen. Die sich daraus ergebenden weltweiten Auswirkungen auf die Epidemiologie der Tuberkulose betreffen auch Länder mit niedriger Inzidenz wie Deutschland, was man – zumindest partiell – am zeitlichen Verlauf der Tuberkulose-Inzidenzen in Deutschland ablesen kann. Nach einer kontinuierlichen Senkung der Tbc-Inzidenz seit 2016 ist die Inzidenz im Jahr 2022 zum ersten Mal wieder leicht angestiegen, auf aktuell 4,9 Erkrankungen pro 100000 Einwohner ([Abb. 1] [1]). Auch wenn diese Entwicklung noch keinen langfristigen Trend wiedergibt, ist sie zumindest teilweise auf die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zurückzuführen [1]. Im Kontext der aktuellen Zahlen stellt das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderte Ziel der „End TB Strategy“ [2] für Deutschland, nämlich die Anzahl der Neuerkrankungen bis zum Jahr 2035 auf weniger als 1 pro 100000 Einwohner im Jahr zu senken, eine große Herausforderung dar und bedarf einer erneuten Sensibilisierung für das Krankheitsbild.

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Abb. 1 Zeitlicher Verlauf der Tuberkulose-Inzidenz im Zeitraum von 2002–2021 und Zahlen für das Jahr 2022 (Stand 1.3.2023) [1].

Aus diesem Grunde wollen wir mit dem aktuellen Dossier klinisch relevante Facetten der Epidemiologie, Prävention, Diagnostik und Therapie der Tbc kritisch beleuchten. Hierfür konnten wir national und international ausgewiesene Experten zum Thema Tuberkulose gewinnen, die 3 wesentliche Aspekte dieser Erkrankung kompetent diskutieren. Im ersten Beitrag haben Günther, Kuhns und Friesen eine ausführliche aktuelle Übersicht zu klinisch relevanten Aspekten der Diagnostik und Therapie der pulmonalen Tuberkulose zusammengetragen. An Tbc als Differenzialdiagnose zu denken (Think TB!) und die korrekte Diagnostik und Therapie frühzeitig einzuleiten, ist von entscheidender Bedeutung, um die Strategieziele der WHO bis 2035 zu erreichen. Der Artikel von Lange widmet sich der Herausforderung der multiresistenten Tbc und navigiert die Leserschaft durch die Epidemiologie und Definitionen dieses Krankheitsbildes. Dank der Verfügbarkeit neuer Medikamente konnten die Therapieempfehlungen zur multiresistenten Tuberkulose 2022 um deutlich verkürzte Therapieschemata erweitert und insgesamt aktualisiert werden. Terhalle und Brehm geben anhand von mehreren anschaulichen Fallbeispielen mit klinischem Bildmaterial eine Übersicht über die vielfältigen Manifestationen der extrapulmonalen Tuberkulose, welche im klinischen Alltag häufig eine diagnostische und therapeutische Herausforderung darstellen.

Den Autorinnen und Autoren danke ich herzlich für ihre wertwollen und inhaltsstarken Beiträge und wünschen Ihnen, den Leserinnen und Lesern, eine aufschlussreiche Lektüre!

Ihre

Marylyn M. Addo



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Article published online:
04 October 2023

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