Aktuelle Kardiologie 2022; 11(06): 537-542
DOI: 10.1055/a-1949-8104
Kurzübersicht

Gerinnungsmanagement in der schweren, fortgeschrittenen Niereninsuffizienz

Coagulation Management in Severe, Advanced Renal Failure
1   Nephrologisches Zentrum Göttingen GbR, Göttingen, Deutschland
,
Georg Schlieper
2   Zentrum für Nieren-, Hochdruck- und Stoffwechselerkrankungen, Hannover, Deutschland
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Zusammenfassung

Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) haben ein hohes Risiko für nicht valvuläres Vorhofflimmern (NVAF) und häufig ein höheres Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) aufgrund ihrer Grunderkrankungen wie z. B. Diabetes. Bisher kamen Vitamin-K-Antagonisten (VKA) auch bei diesen Patienten in Deutschland zum Einsatz. VKA haben ein erhöhtes Blutungsrisiko und werden als Risikofaktor für eine Verschlechterung der Nierenfunktion und/oder Gefäßsituation (Athero- und Mediasklerose) von Patienten diskutiert. Aus diesen Gründen und den vorliegenden Studiendaten werden deshalb direkt wirkende orale Antikoagulanzien (DOAC) auch bei Patienten mit NVAF und CKD (G1–G3) in den Leitlinien empfohlen. Allerdings kann keine klare Empfehlung für den Einsatz von DOAC bei Dialysepatienten gegeben werden. Heparine spielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle.

Abstract

Patients with chronic renal failure (CKD) have a high risk of non-valvular atrial fibrillation (NVAF) and are often at higher risk of venous thromboembolism (VTE) due to their underlying conditions such as diabetes. Until now, vitamin K antagonists (VKA) have also been used for these patients in Germany. VKA have an increased risk of bleeding and are discussed as a risk factor for worsening of kidney function and/or vascular situation (athero- and mediasclerosis) of patients. For these reasons and the available study data, direct-acting oral anticoagulants (DOAC) are therefore recommended in guidelines for patients with NVAF and CKD (G1–G3). However, the use of DOAC in dialysis patients cannot be recommended. Heparins play only a minor role in this context.

Was ist wichtig?

Bei chronischer Niereninsuffizienz (CKD) führen mehrere pathophysiologische Faktoren zu einem deutlich erhöhten Risiko für ischämische Schlaganfälle und Blutungen, vor allem mit abnehmender Nierenfunktion, unabhängig von einer Therapie mit Antikoagulanzien.

Die begrenzt verfügbaren Studiendaten legen nahe, dass direkt wirkende orale Antikoagulanzien (DOAC) generell gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) bevorzugt werden sollten, da sie im Vergleich zu VKA, wohl auch Phenprocoumon, wahrscheinlich eine bessere Sicherheit und Wirksamkeit bei CKD-Patienten haben (CKD 1–3). Es gibt Hinweise, dass DOAC ein geringeres Risiko für Gefäßverkalkung und antikoagulanzienassoziierter Nephropathie aufweisen.

Unfraktionierte wie auch niedermolekulare Heparine sollten nur für besondere Gerinnungssituationen bei Patienten mit CKD zum Einsatz kommen (z. B. Bridging).

Solange spezielle randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zur Bestimmung einer optimalen antikoagulatorischen Behandlung fehlen, sollte die klinische Entscheidungsfindung auf Grundlage der begrenzten Daten erfolgen: individuelle Anpassung der Therapie in Abhängigkeit der Nierenfunktion und der Gesamtsituation des Patienten.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. Dezember 2022

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