Zusammenfassung
Hintergrund Häusliche und sexuelle Gewalt stellt ein zentrales
Risiko für die Gesundheit von Frauen dar. Die Istanbul-Konvention zur
Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
häuslicher Gewalt stellt auch an die gesundheitliche Versorgung neue
Anforderungen. Für eine adäquate Versorgung von Betroffenen ist
die Zusammenarbeit zwischen den an der Versorgung beteiligten Stellen sehr
wichtig. Bisher fehlen jedoch Übersichten über Arbeitsweisen und
Vernetzungsformen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung nach
Gewalt.
Methode Es wurden 34 leitfadengestützte Experteninterviews mit
Gesundheitsfachkräften in Kliniken und anderen Einrichtungen des
Gesundheitswesens, Mitarbeiter*innen in Schutzambulanzen und
Beratungsstellen, Frauenbeauftragten sowie Koordinierungsstellen
geführt. Die Interviews wurden mit der Qualitativen Inhaltsanalyse
ausgewertet.
Ergebnisse Eine kontinuierliche und strukturierte Zusammenarbeit zwischen
den verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens und weiteren Akteuren in
Hessen in Bezug auf das Thema Gewalt fehlt bisher. Es existieren in Hessen
Angebote, die auf die gesundheitliche Versorgung nach sexueller und/oder
häuslicher Gewalt spezialisiert sind. Eine Zusammenarbeit findet
allerdings im Gesundheitswesen meistens nur anlassbezogen statt. Im Rahmen der
regionalen Runden Tische gegen häusliche Gewalt gibt es keine
Gesundheitsfachkräfte als feste Teilnehmer*innen.
Schlussfolgerung Eine adäquate gesundheitliche Versorgung nach
häuslicher und sexueller Gewalt kann für Betroffene nicht
gewährleistet werden. Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die
allein für die gesundheitliche Versorgung nach Gewalt zuständig
ist, könnte die verschiedenen Akteure zusammenbringen und eine
kontinuierliche Arbeit an der Thematik gewährleisten.
Abstract
Background Domestic and sexual violence are key risks to the health of
women. The Istanbul Convention on preventing and combating violence against
women and domestic violence imposes new requirements on the provision of
healthcare. In order to offer an adequate level of healthcare to those affected,
cooperation between involved facilities is of high importance. So far, however,
surveys on working methods and networking modes in connection with post-violence
healthcare have been lacking.
Method A total of 34 manual-based expert interviews were conducted with
healthcare professionals in clinics and other healthcare facilities, with staff
members of dedicated protective outpatient clinics, coordination or counselling
centres and with women’s representatives. The interviews were subjected
to qualitative content analysis.
Results To date, in Hesse there has been no continuous or structured
cooperation between the various healthcare facilities and other actors with
regard to the issue of violent abuse. While there exist services in Hesse that
specialise in healthcare following sexual and/or domestic violence,
cooperation within the healthcare system only occurs on an ad-hoc basis. No
healthcare professionals are permanent participants in the regional Round Table
initiatives against domestic violence.
Conclusion Adequate provision of care following domestic or sexual
violence is currently not guaranteed for those affected. The establishment of a
coordination office that is solely responsible for the provision of care to
victims of violence could potentially bring the various involved parties
together and ensure that continuous efforts are made to address the issue.
Schlüsselwörter Häusliche Gewalt - Sexualisierte Gewalt - Istanbul-Konvention - Gesundheitswesen - Vernetzung
Key words domestic violence - sexual violence - Istanbul Convention - healthcare - networking