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DOI: 10.1055/a-1957-7439
Die Vermessung der Neugeborenen
Liebe Leserinnen und Leser
„Wann immer einen die Dinge erschreckten, sei es eine gute Idee, sie zu messen“, wird der Hauslehrer der Gebrüder Alexander und Wilhelm von Humboldt in dem vielbeachteten Roman „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann zitiert. Der Vermessung der Neugeborenen, genauer gesagt der Erfassung ihres intrauterinen Wachstums, sind die ersten beiden Originalarbeiten dieser Ausgabe der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN) gewidmet. Für den 1. Beitrag wurden an einem (retrospektiven) Kollektiv von knapp 13000 Low-risk-Schwangerschaften die fetalen biometrischen Parameter zwischen der 15. und 42. Gestationswoche neu ausgewertet. Auf diese Weise wurden aktualisierte Perzentilen für die gegenwärtige mitteleuropäische Bevölkerung generiert, die sich statistisch teils signifikant von den herkömmlichen Referenzkurven unterscheiden und nunmehr für die pränatale Diagnostik zusätzlich zur Verfügung stehen. In der 2. Arbeit ging es – auf einer Datenbasis von mehreren Millionen (!) Einlingsschwangerschaften – um die Normierung der kindlichen Geburtsgewichte auf die mütterlichen Körpermaße, eingeteilt in 6 Körperhöhengruppen mit jeweils 3 Gewichtsgruppen. Es ergab sich eine klare Abhängigkeit der neonatalen Maße von der maternalen Statur, weshalb die individualisierten Geburtsgewichtsperzentilen (IGGP) genutzt werden sollten, um Fehleinstufungen von Neugeborenen als small bzw. large for gestational age (SGA bzw. LGA) zu vermeiden. Beide Artikel belegen auch, dass die mitunter als unmodern betrachtete „Auxologie“, die Lehre vom menschlichen Körperwachstum, noch immer ihre Bedeutung hat – weniger wegen des „Erschreckens über die Dinge“ (s. o.), wohl aber wegen der notwendigen Aufmerksamkeit für den sich stetig wandelnden anthropometrischen Referenzrahmen.
Publication History
Article published online:
08 December 2022
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Georg Thieme Verlag KG
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