Transfusionsmedizin 2023; 13(01): 12-13
DOI: 10.1055/a-1977-2622
Aktuell referiert

Studien-Kommentar

Rezensent(en):
Lisa Köber
,
Christian Weidmann

Durch die Verunsicherung vieler Blutspender(innen) während der Corona-Pandemie hat die Frage nach geeigneten Anreizen für die Blutspende weiter an Relevanz gewonnen. Die Studie von Chell et al. kann hier wertvolle Hinweise liefern. Erstens reduzieren die Autoren die vielfältigen Belohnungsformen, die sich in der Literatur mit teils unterschiedlichen Bezeichnungen finden lassen, auf sechs prägnante Grundtypen. Die Autoren sprechen in Anlehnung an das Organisationsschema der chemischen Elemente von einem Periodensystem, das die Arbeit mit den verschiedenen Anreizen und die Verständigung über die Erfolge der einzelnen Strategien erleichtern soll. Zweitens leiten die Autoren diese Grundtypen durch die Kombination mehrerer Gegensatzpaare theoretisch her und belegen anschließend deren empirische Relevanz durch eine Studie unter australischen Blutspendern. Die Grundtypen haben daher eine hohe Plausibilität und es handelt sich tatsächlich um ein gelungenes Organisationsschema bestehender Belohnungssysteme, das offen für eine Erweiterung bleibt. Drittens zeichnet sich in der empirischen Prüfung ab, dass australische Spender(innen) Belohnungen, die nicht-öffentlich sichtbar sind (z. B. Gesundheitsprüfungen, Aufwandsentschädigungen, Spenden für wohltätige Zwecke) eher akzeptieren als öffentlich sichtbare Belohnungen (z. B. in Form von Tassen, Ansteckern oder T-Shirts mit Blutspende-Logo). Viele Marketing-Aktionen zur Förderung der Blutspende setzen aber gerade auf eine solche Sichtbarmachung und sollten daher hinterfragt werden.

Abgesehen von diesen hilfreichen Klärungen bietet das Periodensystem von Chell et al. zahlreiche spannende Ausgangspunkte für weitere Studien. So steht zunächst die Reproduktion der sechs Grundtypen von Belohnungen unter Blutspender(innen) aus anderen Ländern und anderen kulturellen Kontexten aus. Die explorative Analyse unter australischen SpenderInnen muss durch konfirmatorische Studien etwa unter deutschen Spender(innen) ergänzt werden. Zeigen sich hierbei die gleichen Akzeptanzmuster oder finden sich gänzlich andere Erwartungen an eine Belohnung? Durch international vergleichend Arbeiten könnte hierbei auch geklärt werden, welche Bedeutung die Organisation und die Trägerschaft der Blutspende für die Bewertung der Anreizstrukturen haben. Anknüpfend an die Arbeiten von Healy et al. [1] lässt sich erwarten, dass Spender(innen) des Roten Kreuzes andere Belohnungen bevorzugen werden als Spender(innen) staatlicher oder privater Spendedienste. Und letztlich fordert die Studie von Chell et al. auf, die Wirksamkeit der verschiedenen Grundformen und deren optimale Implementierung in experimentellen Studien zu überprüfen. Wie etwa schneiden klassische materielle Geschenke wie Taschenlampen und Tassen mit Blutspende-Logo gegenüber Gesundheitsprüfungen und Reisekostenerstattungen in der Bewertung durch deutsche Spender(innen) ab? Und wie stark beeinflussen derartige Belohnungen das tatsächliche Spendeverhalten? Diese Fragen lassen sich letztlich nur in randomisierten Studien mit Kontrollgruppendesign klären. In der Praxis sind diese Studien nur sehr schwer durchführbar, da die Organisation von Blutspendeterminen sehr anspruchsvoll ist und unterschiedliche Belohnungen schnell zu einem Gefühl der Ungleichbehandlung und Benachteiligung führen können. Bisherige Studien sind daher überwiegend beobachtend [2]. Experimentelle Studien aus dem deutschsprachigen Raum sind dagegen bisher noch stark begrenzt [3]. Cluster-Randomisierungen, bei denen zwar alle Spender(innen) eines Spendetermines die gleiche Entlohnung erhalten, die Spendetermine jedoch unterschiedlich beworben werden, können hier ein Ausweg sein und wertvolle Hinweise für die Spenderrekrutierung liefern. Denn auch mit dem sich abzeichnenden Ende der Corona-Pandemie werden Fragen der effektiven Spenderrekrutierung weiterhin aktuell bleiben.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. Februar 2023

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