Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2023; 30(01): 5
DOI: 10.1055/a-1987-9973
Magazin

Vor 100 Jahren starb Sir Patrick Manson (1844–1922)

Begründer der modernen Tropenmedizin und Gründer der renommierten London School of Hygiene and Tropical Medicine
Peter Stingl
1   DTMH (Lond), Steingaden
› Institutsangaben

Patrick Manson, am 3. Oktober 1844 in Oldmeldrum in Aberdeenshire/Schottland geboren, graduierte mit 21 Jahren zum Bachelor of Medicine und Master of Surgery. Nach kurzer Assistenzzeit am „Irrenasyl von Durham“ machte er seinen MD. Es folgte eine Arztstelle im Auftrag der britischen Kolonialverwaltung auf der Insel Formosa (heute Taiwan). Auf seiner Seereise dorthin beschäftigte er sich in Madagaskar mit der damals ursächlich noch unbekannten Beriberi-Krankheit. Auf Formosa weckten Patienten mit Elephantiasis, Lepra, Cholera und Sprue sein tropenmedizinisches Interesse.

1871 siedelte Manson nach Amoy auf Festlandchina über und beschäftigte sich intensiv mit der Klinik und operativen Versorgung von Elephantiasispatienten, worunter er Elephantiasistumoren von bis zu 50 Pfund Gewicht beschrieb. Bald fand er Filarien als Krankheitsursache. Manson gelangen daraufhin bedeutende Entdeckungen zum Entwicklungszyklus der Filariasis, fand in Lymphknoten die fadenförmigen Würmer, die er dann auch in mit einer Schreibfeder sezierten Stechmücken identifizierte. Damit war die Grundlage der Übertragungskette dieser bis heute noch viele Menschen in den Tropen befallenden und zu schwerer Körperbehinderung führenden Krankheit entschlüsselt. Erstmals war hiermit ein Insekt als Zwischenwirt und Überträger von Infektionskrankheiten erkannt.

Insbesondere seine Feststellung einer Periodizität im Blut zirkulierender Mikrofilarien, welche nachts erscheinen und tagsüber wieder verschwinden, erzeugte großes Interesse. Und 1897 wies Manson bei einem Filarienträger, der sich in den Vormittagsstunden vergiftete, durch unmittelbare Sektion den Ort des Verstecks dieser im peripheren Blut nun abwesenden Mikrofilarien in den Lungen und großen Arterien nach. Manson unterlag allerdings der falschen Annahme, dass mit Mikrofilarien infizierte Stechmücken im Sumpfwasser verenden und der Mensch nur durch Trinken desselben infiziert werden könne.

1883 ging Manson nach Hongkong, gründete dort 1886 die Medical Society of Hongkong und eröffnet 1887 die Medical School of Hongkong, deren Dekan er war. Sunyatsen, der spätere Revolutionär und Präsident Chinas, zählte zu seinen Schülern. Daneben richtete Manson für Arme eine Milchfarm mit europäischem Zuchtvieh ein.

Seit 1899 praktizierte Patrick Manson in London und untersuchte regelmäßig die ihm aus allen Gegenden der Tropen übersandten Blutausstriche von erkrankten Einheimischen. Darunter entdeckte er gleich 3 neue, den Menschen bewohnende Filarien: Loa loa, Mansonella perstans und Mansonella ozzardi. Sogleich stellte er die Hypothese auf, dass Loa loa durch eine Mangrovenfliege übertragen wird, was 21 Jahre später durch R. Th. Leiper dann auch Bestätigung fand.

Mithilfe einer neuen Färbemethode mit einer Methylenblau-Borax-Lösung gelang es Manson, die Kenntnisse über die Malariaplasmodien zu erweitern. Er begründete die Malaria-Moskito-Theorie in der Annahme, dass ein Stadium des Entwicklungsgangs außerhalb des menschlichen Körpers in Moskitos stattfinden müsse. Begeistert von seiner Idee machte der in Indien tätige britische Surgeon Major Ronald Ross zwischen 1895 und 1899 seine bahnbrechende Entdeckung der Moskitos als Zwischenwirt und Überträger der Vogel-Malaria, was ihm 1902 den Nobelpreis für Medizin einbrachte. Nun galt die Malaria im großen Stil bekämpfbar. Und der Arzt und Poet Ross dichtete nach seiner Entdeckung: „ich kenne nun das kleine Ding; unzähl’ge Menschen werden leben – Oh Tod, wo ist dein Stachel – und wo, oh Grab dein Sieg?“

In einer weiteren Anekdote wird berichtet, dass Manson, während ein chinesischer Patient blutiges Sekret in seinem Sprechzimmer ausspuckte, er in diesem durch unverzügliches Mikroskopieren erstmals die Eier des Lungenegels Paragonimus entdeckte. Kurz darauf beschrieb er auch die für die Infektion notwendigen Zwischenwirte Süßwasserschnecke und Krabbe. Darüber hinaus entdeckte Manson einen weiteren Erreger der Bilharziose, der nach ihm Schistosoma mansoni genannt wird.

Patrick Manson, seit 1897 im Dienst des britischen Kolonialministeriums, richtete in London eine erste tropenmedizinische Abteilung am Albert Dock Seamen’s Hospital ein, aus der 1899 die London School of Tropical Medicine, die heutige hochrenommierte London School of Hygiene and Tropical Medicine als tropenmedizinische Lehr- und Forschungsstätte hervorging.

1900 wurde Manson zum Fellow of the Royal Society of Tropical Medicine und zum Präsidenten der Epidemiological Society gewählt. 1901 wurde er mit dem Cameron Prize der Universität Edinburgh ausgezeichnet, 1903 als Ritter geadelt und 1904 und 1921 zum Ehrendoktor der Universitäten Oxford und Cambridge ernannt. Durch seine bahnbrechenden Entdeckungen zu parasitären Erregern und die Bedeutung von Vektoren in der Übertragung von Humanparasitosen legte Sir Patrick Manson den Grundstein der modernen Humanparasitologie und Tropenmedizin. Durch dieses von ihm entdeckte Konzept der mitunter komplizierten Übertragungswege von Parasitosen und seine aktive Involvierung in weitere bahnbrechende Entdeckungen, wie dem Zyklus des Malariaerregers, kann seine Bedeutung für die Tropenmedizin kaum überschätzt werden.

Am 9. April 1922 starb Patrick Manson im 78. Lebensjahr. Sir Patrick Manson ist auf dem Allenvale Friedhof in Aberdeen bestattet.

Prof. Dr. Peter Stingl, DTMH (Lond), Steingaden



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
07. Februar 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 Manson-Bahr P. The dawn of Topical Medicine. Being a brief account of the life and work of Sir Patrick Manson. Can Med Assoc J 1936; 35: 441-444
  • 2 Olpp G. Hervorragende Tropenärzte in Wort und Bild. München: Otto Gmelin; 1932