Nephrologie aktuell 2023; 27(02): 64
DOI: 10.1055/a-1990-9256
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Neues zur renalen Anämie

Ferruh Artunc
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Prof. Dr. med. Ferruh Artunc, Tübingen

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe der „Nephrologie aktuell“ befasst sich mit Neuem zur renalen Anämie. Die renale Anämie ist eine typische Komplikation einer chronischen Nierenkrankheit und führt zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität. Nicht selten manifestiert sich eine chronische Nierenerkrankung erst durch die Entwicklung einer renalen Anämie. Die renale Anämie wird durch eine Reihe von Faktoren bedingt, von denen eine verminderte Bildung von Erythrozyten im Knochenmark durch einen relativen Mangel an Erythropoetin (EPO) sowie Eisen charakteristisch ist. Als weiterer wichtiger Faktor gesellt sich eine Verkürzung der Lebensdauer der Erythrozyten von 120 Tagen unter physiologischen Bedingungen auf unter 60 Tage bei terminaler Niereninsuffizienz hinzu. Die reduzierte Erythropoese (Neubildung) in Kombination mit einer verkürzten Lebensdauer mündet zwangsläufig in eine Anämie.

Im ersten Beitrag mit dem Titel „Verkürzte Lebensdauer der Erythrozyten als Determinante der renalen Anämie“ stellt Dr. Rosi Bissinger, Tübingen, die Eryptose als Mechanismus, der zu einem frühzeitigen Erythrozytentod und damit zu einer verkürzten Erythrozytenlebensdauer führt, dar. Ihr Beitrag fußt auf der 2022 mit dem Bernd Tersteegen-Preis gekrönten Arbeit, die eine entscheidende Rolle der Eryptose für die Entstehung der Anämie in einem nephrotischen Mausmodell mit Niereninsuffizienz nachweist. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine alleinige Stimulation der Erythropoese zur Korrektur der renalen Anämie nicht ausreichend ist und dass die Verlängerung der Erythrozytenlebensdauer durch Hemmung der Eryptose einen neuen therapeutischen Ansatz darstellen könnte.

Die Entdeckung des Hypoxie induzierbaren Faktors (HIF) als ein Transkriptionsfaktor, der durch Sauerstoffmangel der Zellen stimuliert wird und eine Reihe von überlebenswichtigen Genen aktiviert, ebnete den Weg für die Entwicklung der neuartigen Medikamentenklasse der HIF-Stabilisatoren, die nun für die Therapie der renalen Anämie eingeführt werden. HIF-Stabilisatoren stimulieren in der Niere und in der Leber die Bildung von endogenem Erythropoetin. In ihrem Beitrag „Stabilisatoren des HIF-Signalwegs – Ein neuer Ansatz zur Behandlung der renalen Anämie“ stellt Dr. Anja Schork, Tübingen, diese neue Medikamentenklasse und die ersten klinischen Ergebnisse vor.

Das Schwerpunktthema wird durch den Beitrag „Eisentherapie bei chronischer Nierenkrankheit: Viel hilft viel oder ist weniger mehr?“ abgerundet. Die Eisentherapie ist ein wichtiger Teil der Anämietherapie und wird initial bei (fast) allen Patienten mit renaler Anämie empfohlen. Klinische Arbeiten der letzten Jahre haben sowohl für die orale als auch intravenöse Therapie wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit und Dosierung erbracht. Im Licht dieser Arbeiten kann die Eisentherapie wirksam und sicher eingesetzt werden, um Patienten mit renaler Anämie zu behandeln.

Verschiedene HIF-Stabilisatoren werden aktuell in zahlreichen Studien zur oralen Therapie an Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und renaler Anämie getestet. Die Datenlage ist mittlerweile stark angewachsen, da pro Substanz oft eigene Studien bei verschiedenen Kollektiven (dialysepflichtig ja/nein) oder Vergleichsgruppen (Placebo vs. Vergleich mit EPO-Therapie) vorliegen. Im „Journal Club“ wird eine kürzlich erschienene Metaanalyse der Cochrane-Organisation zur Untersuchung der Wirksamkeit von 5 verschiedenen HIF-Stabilisatoren vorgestellt, die auf den Daten aus 51 randomisierten Studien mit insgesamt 30 994 Patienten basiert.

Ich wünsche eine angenehme Lektüre und stehe für Rückmeldungen gerne zur Verfügung.



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Article published online:
16 March 2023

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