Psychother Psychosom Med Psychol 2023; 73(05): 171-172
DOI: 10.1055/a-2010-7768
Editorial

Post-Pandemie, Post-Covid – Rückkehr zur Normalität?

Post-Pandemic, Post-Covid – Return to Normality?
Corinna Bergelt

Drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie hat sich die pandemische Lage abgeschwächt und fast alle Einschränkungen des täglichen Lebens wurden aufgehoben. Inzwischen muss im Fern- und Nahverkehr keine Maske mehr getragen werden, die Testpflichten in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind aufgehoben und auch Sonderregelungen, wie die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung bei Erkältungssymptomen, wurden wieder abgeschafft. Lock-Down-Maßnahmen und Versammlungsverbote scheinen schon lange zurückzuliegen und in mancherlei Hinsicht scheint sich das öffentliche und gesellschaftliche Leben wieder auf ein vorpandemisches Niveau einzupendeln. Selbst die Corona-Warn-App teilt mit, dass sie nur noch bis Ende April Warnungen an andere Personen weiterleiten wird.

Gleichzeitig beobachten wir gerade im Gesundheitswesen aktuell hohe Krankenstände, die sich auch als Auswirkung der hohen Dauerbelastung der Beschäftigten interpretieren lassen und vermutlich werden sowohl Gesellschaft als auch Gesundheitswesen noch lange Zeit mit den Folgen der Pandemie und auch der Corona-Schutzmaßnahmen beschäftigt sein. Die negativen Auswirkungen auf die allgemeine psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen [1] und der erwachsenen Allgemeinbevölkerung [2] sind inzwischen gut belegt und es lassen sich auch Risikofaktoren identifizieren, die zu einer größeren psychischen Beeinträchtigung führen [3] und Hinweise dazu geben können, welche Gruppen besonderen (erhöhten) Versorgungsbedarf haben.

Darüber hinaus hat uns die Pandemie mit dem Post-COVID-Syndrom ein spezifisches neues und komplexes Krankheitsbild beschert, dessen Ätiologie, Verlauf und Langzeitfolgen noch ungeklärt sind und das uns in der Versorgung und Rehabilitation vor große Herausforderung stellt. Die mit Post-Covid assoziierten Symptome sind vielfältig und zum Teil diffus und reichen von Fatigue über Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen bis zu Dyspnoe, Anosmie und Ängsten. Entsprechend vielfältig sind auch die Indikationsbereiche, in denen Versorgung und rehabilitative Behandlungen stattfinden müssen. Sowohl durch die S1 Leitlinie Long-/Post-COVID [4] als auch basierend auf Erfahrungen der Rehabilitationskliniken werden zum einen Empfehlungen für die neurologische, kardiologische, pneumologische und psychosomatische Rehabilitation gegeben und zum anderen wird ein multiprofessionelles Vorgehen angemahnt [5]. Weil jedoch die Symptome so viele unterschiedliche Bereiche betreffen und die Betroffenen in der Regel unter mehreren Symptomen leiden, ist eine klare Indikationsstellung oftmals schwierig und es kann davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung nicht immer passgenau erfolgt. Aufgrund der Neuartigkeit des Syndroms haben weder die Betroffenen noch die Versorgenden Erfahrungen mit dem Krankheitsbild, was zu Unsicherheit führt und Behandlung und Verlaufsprognosen erschwert. Nichtsdestotrotz wurden und werden Post-Covid-Patient*innen sowohl im ambulanten Sektor als auch in der Rehabilitation versorgt und sowohl die klinische Erfahrung als auch entsprechende Forschungsergebnisse wachsen stetig an. Inzwischen liegen bereits erste Rehabilitationskonzepte und Evaluationsergebnisse zur Rehabilitation aus unterschiedlichen Indikationsbereichen vor [6] [7] [8], auch wenn Langzeitergebnisse naturgemäß noch fehlen.

Die Nachwirkungen in der Pandemie werden das Versorgungssystem also einerseits noch lange herausfordern. Andererseits lassen die vielfältigen Forschungsaktivitäten und die wachsende klinische Erfahrung berechtigte Hoffnung wachsen, dass sich die Evidenzlage in absehbarer Zeit bessert und zunehmend bessere Zuweisungs-Entscheidungen getroffen und Behandlungserfolge verzeichnet werden können. Mit der Zunahme von Wissen und Erfahrung sowohl auf der Seite der Forschenden und Behandelnden als auch auf Seiten der von Pandemiefolgen und von Post-Covid Betroffenen, werden sich auch die aktuell noch bestehenden Unsicherheiten zunehmend vermindern. Somit werden wir schließlich auch hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen der Pandemie zu einer neuen Normalität finden. Es wird vermutlich noch etwas dauern, aber wir sind auf gutem Weg.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
09. Mai 2023

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  • Literatur

  • 1 Ravens-Sieberer U, Erhart M, Devine J. et al. Child and Adolescent Mental Health During the COVID-19 Pandemic: Results of the Three-Wave Longitudinal COPSY Study. J Adolesc Health 2022; 71: 570-578
  • 2 Mauz E, Walther L, Junker S. et al. Time trends in mental health indicators in Germany's adult population before and during the COVID-19 pandemic. Front Public Health 2023; 11: 1065938
  • 3 Kenntemich L, von Hülsen L, Schäfer I. et al. Profiles of risk factors for depressive and anxiety symptoms during the COVID-19 pandemic: A latent class analysis. Psychiatry Res 2023; 323: 115150
  • 4 Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U. et al. S1-Leitlinie Long-/Post-COVID. Pneumologie 2022; 76: 855-907
  • 5 Platz T, Dewey S, Köllner V. et al. Rehabilitation bei Coronavirus-Erkrankung mit SARS-CoV-2 (COVID-19). Rehabilitation 2022; 61: 297-310
  • 6 Kupferschmitt A, Etzrodt F, Kleinschmidt J. et al. Nicht nur multimodal, sondern auch interdisziplinar: Ein Konzept für fächerübergreifende Zusammenarbeit in der Rehabilitation des Post-COVID-Syndroms. Psychother Psychosom Med Psychol 2023; 73: 34-41
  • 7 Rutsch M, Frommhold J, Buhr-Schinner H. et al. Pneumologische Rehabilitation bei Long Covid – Gesundheitliche Veränderungen am Ende der stationären Rehabilitationsmaßnahme. Rehabilitation (Stuttg) 2023; DOI: 10.1055/a-1964-7401.
  • 8 Petzold S, Carney R, Kool JP. et al. Rehabilitationsergebnisse bei Covid-19-Erkrankung: eine Fall-Kontroll-Studie. Phys Med Rehab Kuror 2023; 33: 17-27