Nervenheilkunde 2023; 42(06): 327-329
DOI: 10.1055/a-2022-0240
Zu diesem Heft

Geschlechtshormone und Kopfschmerzen

Stefan Evers
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Prof. Dr. Dr. Stefan Evers Chefarzt Krankenhaus Lindenbrunn, Coppenbrügge. Foto: ©privat

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieses Themenheft ist dem Zusammenhang von Geschlechtshormonen und Kopfschmerzen gewidmet. Dieser Zusammenhang ist schon seit Jahrhunderten ein besonderer Fokus sowohl bei der Behandlung von Frauen als auch beim Einsatz von Hormonpräparaten; er ist auf vielerlei Ebenen im klinischen Alltag wichtig und ruft immer wieder hohes Interesse hervor. Die Fragen dabei sind, wie sich Hormonveränderungen auf Kopfschmerzen auswirken, wie man hormonell Kopfschmerzen behandeln kann, wie man in verschiedenen hormonellen Situationen am besten Kopfschmerzen behandelt und letztlich auch, ob Kopfschmerzen zu Hormonveränderungen führen oder Einfluss auf die Betreuung von Frauen in besonderen Situationen haben.

Eine weitere Besonderheit dieses Themengebietes ist es, dass es gleichermaßen 2 Fachgebiete berührt, nämlich die Neurologie und die Gynäkologie. Es gibt demgemäß verschiedene Übersichtspublikationen und Leitlinien von Fachgesellschaften aus beiden Disziplinen, die aber nicht immer kongruent sind und aus verschiedenen Perspektiven argumentieren. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Gruppe von Expertinnen und Experten zusammengetan, die jeweils individuell in den vergangenen Jahren viel über den Zusammenhang von Kopfschmerzen und Geschlechtshormonen geforscht haben und mit vielen klinischen Fragestellungen auf diesem Gebiet befasst sind. Die Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe war ausgewogen zwischen Neurologie und Gynäkologie. Sie hat sich in mehreren Sitzungen online und live getroffen, um die verschiedenen Sichtweisen auszutauschen und um einen Konsens für alle Fragen dieses Zusammenhangs zu finden.

Die unterschiedlichen Sichtweisen sollen an einem Beispiel verdeutlicht werden. So existiert eine gynäkologische Leitlinie, die den Einsatz einer hormonalen Kontrazeption bei Frauen mit Migräne mit Aura aufgrund eines erhöhten Thromboserisikos ausschließt. Dagegen argumentieren neurologische Leitlinien, dass zwar ein erhöhtes Thromboserisiko in bestimmten Situationen besteht, dies aber dennoch sehr gering ist und abgewogen werden muss, mit zum Beispiel dem Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft und eben auch der nur schwachen Evidenzlage vor allem bei älteren Frauen. So ist als Konsens formuliert worden, dass in bestimmten Situationen eine hormonale Kontrazeption mit niedrig dosierten, monophasischen Präparaten auch bei Migräne mit Aura gerechtfertigt ist.

Sie finden in diesem Themenheft den Konsens der Expertengruppe aufgeteilt in 4 Artikeln. Darin sind alle Diskussionsergebnisse enthalten. Aufgrund der besonderen Konzeption des gesamten Textes sind dabei gewisse Redundanzen nicht zu vermeiden gewesen. Dieses Themenheft dient somit nicht nur der Veröffentlichung der Diskussionsergebnisse im Konsens, sondern auch der Information des jeweils anderen Fachgebietes über Sichtweisen, Erkenntnisse und praktische Handlungsweisen auf dem Gebiet von Geschlechtshormonen und Kopfschmerzen. Ausdrücklich stellt dieses Konsenspapier keine formale Leitlinie dar. Sie ist auch nicht im Auftrag einer Fachgesellschaft entstanden. Sie spiegelt jedoch die vielfältigen Erfahrungen und Erkenntnisse der Mitglieder dieser Arbeitsgruppe wider und ist daher besonders geeignet, sein eigenes Wissen über den Zusammenhang von Geschlechtshormonen und Kopfschmerzen zu vertiefen, ohne sich an Leitlinien mit naturgemäß nur schwacher Evidenz halten zu müssen. Dabei ist gerade bei dem Zusammenhang von Geschlechtshormonen und Kopfschmerzen klar, dass noch sehr viel Forschungsbedarf besteht und dass insbesondere Therapieempfehlungen häufig auf Konsens beruhen oder auf Analogie-Folgerungen aus anderen Bereichen, zum Beispiel, wenn Präparate aus anderen Indikationen eingesetzt werden.

Im ersten der 4 Artikel werden der historische Hintergrund des Themas und die Methodik, mit der diese Publikation entstanden ist, genauer erläutert. Ansonsten können Sie sich leicht anhand der Überschriften orientieren, welche Themen speziell für Sie von Interesse sind. Gerade bei der Konzeption dieses Themenheftes und bei dem ausdrücklich interdisziplinären Charakter der Texte freuen sich die Schriftleiter der Nervenheilkunde über Rückmeldungen.

Der Firma Teva GmbH sei gedankt für die Finanzierung der Gruppentreffen und das lebhafte Interesse ohne jegliche inhaltliche Einflussnahme. Anne Scheidler sei als Medical Writer gedankt für die so hilfreiche (und notwendige) Begleitung bei der Erstellung des Manuskripts.

Ich hoffe auf eine gewinnbringende Lektüre oder ein klinisch relevantes Nachschlagen für bestimmte Therapiesituationen.

Stefan Evers, Coppenbrügge



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
31. Mai 2023

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