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DOI: 10.1055/a-2041-4656
Editorial
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Liebe Kolleginnen und Kollegen
Liebe Leserinnen und Leser
Dieses Themenheft beschäftigt sich mit der Leitlinienaktualisierung „Diagnostik und Therapie der Osteoporose“, bei der alle Kapitel der zuletzt 2018 veröffentlichten Leitlinie vollständig überarbeitet wurden. Nicht zu jedem der Kapitel kann in diesem Themenheft ein Beitrag erscheinen, weswegen eine Auswahl der Themen durch die Leitlinienkommission vorgenommen wurde.
Der erste Beitrag erläutert Zahlen zur Prävalenz der Osteoporose und Frakturen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die belegen, dass die Vorhersagen der vergangenen 20 Jahre mit Bezug auf die deutliche Zunahme der Frakturereignisse richtig lagen. Die Notwendigkeit, den bisherigen DVO Algorithmus zu überarbeiten, da sich die Grundlage, die Daten zur Frakturprävalenz geändert haben, ergibt sich hieraus als methodische Konsequenz. Eine weitere Frage ist, ob im Sinne eines Evidenzbasierten Case Finding, um rechtzeitig Risikopatienten zu erkennen und zu therapieren, Schwellenwerte zur Basisdiagnostik anders definiert werden sollten. Die Antwort zu dieser Frage wird mit der Veröffentlichung der Leitlinie kommen.
Grundlage für den neuen Algorithmus zur Berechnung des individuellen Frakturrisikos bleibt die Vorhersage des Risikos für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen. Diese sind besonders relevant, da sie mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Gesundheit als auch des Sterberisikos verbunden sind und somit eingreifendes Ereignis im Leben jedes Patienten darstellen.
Um die relative Frakturrisikoerhöhung, die bei Vorliegen eines klinischen Risikofaktors besteht und das absolute Frakturrisiko, das aufgrund von Geschlecht und Alter gegeben ist, moduliert, klar durch Evidenz zu belegen, wurde bei dieser Überarbeitung der Leitlinie eine umfassende Literaturrecherche zu klinischen Risikofaktoren vorgenommen, mit der sich der zweite Beitrag in diesem Heft beschäftigt. Was sind die wichtigsten klinischen Risikofaktoren, die in der Risikofaktorenerhebung unbedingt zu beachten sind?
Neben der Risikofaktorenerhebung bleibt wie in den vergangenen Leitlinienversionen die Knochendichtemessung mittels Dualer-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) Kernbestandteil der Basisdiagnostik. Dass aber in den vergangenen Jahren neben der Bestätigung der Relevanz dieser Messtechnik auch anderen Methoden zur Diagnostik (weiter-) entwickelt wurden und neue Evidenz auch die Wertigkeit von Verlaufsuntersuchungen mittels DXA und Knochenstoffwechselparameter stützt, dies ist Thema des dritten Artikels, der das Thema messtechnische Verfahren im Kontext der Leitlinie erläutert.
Nach den epidemiologischen Daten und den Kapiteln zur Osteoporosediagnostik folgen Artikel zu den Themen Prophylaxe, Basistherapie und medikamentöse Therapie der Osteoporose.
Fokus des Artikels zur generellen Osteoporose- und Frakturprophylaxe ist das Thema Sturz, da dieses gerade im älteren, fraktur- und sturzgefährdeten Osteoporose - Hochrisikokollektiv zur Senkung des Frakturrisikos beachtet gehört. Hierbei sind die diagnostischen Möglichkeiten zur Erfassung des Sturzrisikos im Vergleich zu Vorversion der Leitlinie durch Implementierung des Timed-up and go Test deutlich verbessert worden, die Möglichkeiten der Sturzprävention durch Weitung des Blickes auf sturzfördernde Begleitumstände gebessert.
Im Kapitel zur Basistherapie werden neben den erweiterten Angaben zur Vitamin D Gabe weitere Aspekte der Basistherapie beleuchtet. Hierzu gehört die Frage, bei welchen Patienten eine Vitamin K2 Supplementation zu empfehlen ist, wieviel Protein die Nahrung enthalten sollte und welche Art des körperlichen Trainings zu empfehlen ist.
Woran sich, wie bei der Versorgung von Osteoporosepatient:innen, die medikamentöse Therapie der Osteoporose anschließt. Neben der neu aufgenommenen Therapieoption des Sklerostin – Antikörpers Romosozumab wird die grundsätzliche Neugliederung des wichtigen Kapitels medikamentöse Therapie vorgestellt, die folgenden Prinzipien unterliegt: Differenzialtherapeutisch Beachtung direkter Vergleichsstudien mit Endpunkten für Frakturen und Definition einer Hochrisikopopulation innerhalb der behandlungsbedürftigen Patienten zur Priorisierung der Therapieprinzipien, Sequenztherapeutisch Beurteilung der zeitlichen Limitation der verschiedenen Osteoporose-Therapieformen, und der notwendigen Bisphosphonatsequenz nach allen reversiblen Behandlungsformen unter gleichzeitiger Beachtung des Frakturrisikos und der lebenslangen Therapienotwendigkeit bei mit dem Alter zunehmendem Frakturrisiko und Gebrechlichkeit und dem Fakt, dass Osteoporose in den meisten Fällen eine chronische Erkrankung ist.
Der letzte Beitrag führt in das Konzept des in Entwicklung befindlichen Risikorechners ein, Gründe für die geplante Implementierung eines Risikorechners bei bereits existierenden, anderen Rechentools werden benannt, dies neben Hintergrunddaten und erste Einblicke in die Struktur des Rechners. Die Vorhersage von vertebralen Frakturen und Schenkelhalsfrakturen durch einen Risikorechner verbunden mit den Inhalten der Leitlinie und den hier beschriebenen Schwellenwerten zur Therapie hat zum Ziel, Osteoporosediagnostik- und Therapie auf der Ebene der individualisierten Medizin abzubilden und diesen Schritt technisch zu unterstützen.
„Ceterum censeo“
Die lange Überarbeitungszeit der Leitlinie hat auch Vorteile.
Aufgrund der Möglichkeit, bis 2022 Literatur in die Überarbeitung einzuschließen, ist die Leitlinie bei Veröffentlichung, die im Sommer 2023 zu erwarten ist, thematisch aktuell, vermutlich aktueller als jede Aktualisierung mit festgelegter Literaturdeadline zuvor. Wichtige Themen wie das sehr hohe Risiko für eine unmittelbar bevorstehende Fraktur („imminentes Frakturrisiko“) wurden ebenso aufgenommen, wie die in den vergangenen zwei Jahren weltweit geführte Diskussion zur Priorisierung osteoanaboler Therapieprinzipien bei Hochrisikopatient:innen inklusive „Osteoanabol FIRST“. Die Weiterentwicklung eines Algorithmus für vertebrale- und Schenkelhalsfrakturen findet mittlerweile auch in Ländern außerhalb des D-A-CH Verbandes Beachtung, sodass die extrem solide Literaturaufarbeitung als Grundlage des neuen Algorithmus nicht nur in deutschsprachigen Ländern wahrgenommen werden wird. Mein großer Dank geht an alle Mitglieder der Leitlinienkommission:
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Prof. Dr. med. Erika Baum, Marburg (Allgemeinmedizin, Vertreterin der DEGAM)
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Prof. Dr. med. Thomas Kühlein, Erlangen (Allgemeinmedizin, Vertreter der DEGAM)
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Prof. Dr. med. Hans-Christof Schober, Rostock (Innere Medizin, Vertreter BdO)
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Prof. Dr. med. Heide Siggelkow, Göttingen (Endokrinologie, Vertreterin der DGE)
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Prof. Dr. med. Ralf Schmidmaier, München (Endokrinologie, Vertreter der DGE)
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Dr. med. Thomas Brabant, Bremen (Geriatrie, Rheumatologie, Vertreter der DGG)
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Prof. Dr. med. Michael Drey, München (Innere Medizin, Geriatrie, Vertreter der DGG)
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Prof. Dr. Dr. med. Karl Günter Wiese, Göttingen (Chirurgie, Vertreter der DGO)
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Prof. Dr. Franz Jakob, Würzburg (Innere Medizin, Vertreter der DGO)
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Prof. Dr. med. Andreas Kurth (Unfallchirurgie, Vertreter der DGOOC)
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Prof. Dr. med. Uwe Maus, Düsseldorf (Orthopädie, Vertreter der DGOOC)
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Prof. Dr. med. Wolfgang Böcker, München (Unfallchirurgie, Vertreter der DGU)
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Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Stuttgart (Unfallchirurgie, Vertreter der DGU)
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Prof. Dr. med. Peter M. Kern, Fulda (Rheumatologie,Vertreter der DGRh)
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PD Dr. med. Björn Bühring, Herne (Rheumatologie, Vertreter der DGRh)
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Prof. Dr. med. Peyman Hadji, Frankfurt (Gynäkologie, Vertreter der DGGG und der DMG)
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Prof. Dr. Dr. Sven Otto, Halle (Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Vertreter der DGMKG)
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Prof. Dr. Dr. Oliver Ristow, Heidelberg (Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Vertreter der DGMKG und der DGI)
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Prof. Dr. Dr. med. Knut A. Grötz (Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Vertreter der DGMKG und der DGI)
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PD Dr. Dr. Eik Schiegnitz, Mainz (Vertreter der DGI)
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Dr. med. Dieter Schöffel, Mannheim (Rheumatologie, Schmerzmedizin, Vertreter der IGOST)
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Prof. Dr. rer. nat. Klaus Engelke, Erlangen/Hamburg (Medizinphysik-Experte)
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Prof. Dr. rer. nat. Claus-C. Glüer, Kiel (Medizinphysik-Experte)
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Prof. Dr. med. Peter Jehle, Wittenberg (Nephrologie, Vertreter der DGfN)
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Prof. Dr. med. Markus Ketteler, Coburg (Nephrologie, Vertreter der DGfN)
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Dr. med. Dirk Müller, Chur (Radiologie, Vertreter DGMSR)
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Dr. med. Thomas Grieser, Augsburg (Radiologie, Vertreter DGMSR)
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Prim. Dr. Peter Bernecker, Wien (Geriatrie, Vertreter der ÖKGM)
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Univ. Prof. Dr. med. Hans Peter Dimai, Graz (Endokrinologie, Vertreter der ÖGKM)
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Prof. Dr. med. Christopher Niedhart, Heinsberg (Vertreter der OGO)
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Dr. med. Hermann Schwarz, Freudenstadt (Orthopädie, Vertreter der OGO)
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Prim. Priv.-Doz. Dr. MSc Peter Peichl (Innere Medizin, Vertreter der ÖGR)
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Dr. Bernhard Rintelen, Stockerau (Innere Medizin, Vertreter ÖGR)
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Dr. med. Urs Moser, Liestal (Innere Medizin, Vertreter SGR)
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PD Dr. med. Norbert Suhm, Basel (Orthopädie, Vertreter der SVGO)
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Prof. Daniel Belavy, Bochum (Physiotherapie)
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Gisela Klatt, Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e. V. (BfO), Deutschland
die in den vergangenen Monaten und Jahren fantastische und zeitintensive Arbeit geleistet haben. Die Corona-Pandemie hat die Arbeit in den Jahren 2020-2022 erschwert, Leitlinientreffen in Form von Onlinekonferenzen (inklusive 2 Hybridkonferenzen) sind kürzer als Präsenztreffen, weswegen die Anzahl von 24 Treffen (Stand Februar 2023) in 14 Monaten zu verzeichnen ist, um der Diskussion der beurteilten Evidenz, der Entscheidungsfindung in der Formulierung von Texten und Empfehlungen sowie der Aufarbeitung der Risikofaktoren gerecht zu werden. Dies stellte bei 21 Fachgesellschaften aus drei deutschsprachigen Ländern mit verschiedenen Gesundheitssystemen und zudem unterschiedlichen Hintergründen in der Versorgung von Osteoporosepatient:innen erneut eine Herausforderung dar, insbesondere aufgrund der fehlenden Pausen und Mittagessen, die bei Präsenztreffen zusätzliche Zeit zur Diskussion geben.
Ein wichtiges Ziel einte erneut alle Mitglieder der Leitlinienkommission bei dieser Leitlinienaktualisierung: Eine evidenzbasierte Grundlage für eine verbesserte Versorgung von Osteoporosepatient:innen zu formulieren. Lassen Sie uns daran gemeinsam auf Grundlage der Leitlinienaktualisierung 2023 arbeiten.
Friederike Thomasius
Frankfurt, Februar 2023
Publication History
Article published online:
25 May 2023
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