Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2023; 30(03): 140-145
DOI: 10.1055/a-2044-8004
Gesellschaft
BExMed

Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin e. V.

Raimund Lechner

Liebe Mitglieder und Interessierte der BExMed,

während der Hochwinter mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Schneelage von sich reden machte, hat der Spätwinter nochmals so richtig zugeschlagen. Während es in den Tallagen leider überwiegend nass war, ist die Schneedecke im bayerischen Alpenraum in den Hochlagen auf durchschnittliche Werte angestiegen, was die Hoffnung auf gute Bedingungen für Frühjahrsskitouren wachsen lässt.

Rückblickend auf den Sommer 2022 ist nun klar, dass dies einer der heißesten Sommer bisher war. Und dies hatte Folgen für die Gletscher. Von Anfang an waren die Gletscher in der Hochtourensaison letztes Jahr nur wenig eingeschneit, die Spaltensituation wurde an den meisten Stellen als heikel beschrieben. Diese geringe Schneedecke konnte das Gletschereis somit weniger lang und gut vor dem Abschmelzen schützen. Der eingewehte Saharastaub tat sein Übriges. In der Summe verloren die österreichischen Gletscher in der Periode 2021/22 2,6-mal mehr Eis als 2020/21. Auch in Deutschland und der Schweiz war die Gletscherschmelze überdurchschnittlich. Zu hoffen bleibt, dass der diesjährige späte Schneefall in Teilen der Alpen sowohl die Gletschertourbedingungen als auch das Abschmelzen günstig beeinflussen.

Von ganz heiß zu ganz kalt. Expeditionsmedizin bedeutet nicht nur hohe Berge erklimmen. In vielen anderen Gebieten dieses Planeten gibt es regelmäßig Forschungsreisen, die letztlich der ursprünglichen Bedeutung einer Expedition näherkommen als durch Reiseanbieter organisierte Bergtouren in entfernte Länder. Eindrücke aus dem Leben eines Expeditionsarztes können Sie in dieser Ausgabe im Beitrag von Frau Dr. Weith und Herrn Dr. Leitl genießen (S. 153).

In Nepal ist die Frühjahrssaison mittlerweile im vollen Gange. Erste Gipfelerfolge wurden gemeldet (Annapurna I) und leider auch die ersten Todesopfer beklagt. Zum 70-jährigen Besteigungsjubiläum des Mt. Everest wurden von der nepalesischen Südseite so viele Permits verkauft wie noch nie. „Business as usual“ ist eingekehrt. In Nepal ist seit dieser Saison das Solotrekking behördlich nicht mehr erlaubt. Offiziell werden Sicherheitsaspekte für diese Entscheidung angeführt. Vor dem Hintergrund fehlender Qualitätsstandards wird aber von Kritikern primär ein geschäftliches Interesse vermutet. Wie diese Regelung letztlich in die Praxis umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Der weit überwiegende Teil der Trekkingtouristen ist ohnehin mit einheimischen Führern unterwegs.

Auch 2022 gab es wieder eine BExMed-Forschungsförderung von insgesamt 5000 Euro. Aufgrund einer Pattsituation in der anonymen Bewertung der Anträge wird die Gesamtsumme auf 2 Projekte zu gleichen Teilen aufgeteilt. In dieser Ausgabe stellt Ihnen Frau Dr. Madlaine Müller das erste Projekt vor (S. 142). Die BExMed-Vorstandschaft gratuliert nochmals herzlich und ist gespannt auf die Ergebnisse.

Der Expeditionsmedizinkurs Winter konnte ohne besondere Vorkommnisse bei besten Bedingungen durchgeführt werden ([ Abb. 1 ] [ 3 ]). Für Dr. Wolfgang Schaffert, Gründungsmitglied der BExMed, war es der letzte Expeditionskurs. Wer Wolfgang in seiner unvergleichbaren Art nochmals in einem Kurs erleben möchte, darf den Lawinenrefresher 2024 nicht verpassen. Danach wird sich Wolfgang wohl in den wohlverdienten BExMed-Kurs-Ruhestand begeben. Wer sich alpin- und höhenmedizinisch auch 2023 noch weiterbilden will, dem sei der Sommer-Refresher ans Herz gelegt. Details zu den Onlinefortbildungen werden wie gewohnt per E-Mail vorab verteilt werden.

Zoom Image
Abb. 1 Tiefblick vom Fluchthorn.Quelle: Dr. Ulrich Steiner
Zoom Image
Abb. 2 Unterwegs im Fixseilparcours.Quelle: Dr. Ulrich Steiner
Zoom Image
Abb. 3 Abendstimmung Britanniahütte.Quelle: Dr. Ulrich Steiner
TERMINE

BExMed-Veranstaltungen

BExMed goes online

  • 07.06.2023, Dr. Eike Plazikowski, Die Reise-Rucksackapotheke 2.0: Bedarfs- und situationsgerechtes Packen für den Fall der Fälle

  • 14.06.2023, Dr. Christoph Tannhof, Der internistische Notfall Outdoor: Was wir wissen und was nicht

  • 21.06.2023, Pauli Trenkwalder, Wege und Fallen bei der Entscheidungsfindung in alpinmedizinisch relevanten Notfallsituationen

Refresher und Update: Notfallversorgung im Felsgelände 2023

13.–17.09.2023 auf dem Kreuzeckhaus

Kurs Lawinenmedizin und Kälteschäden 2024

17.–21.01.2024 in Nösslach, Gries am Brenner

Weitere Infos und Anmeldung: www.bexmed.de

Weitere Veranstaltungen

28. Internationale Bergrettungsärztetagung 2023, mit Diplomprüfungen und BExMed-Mitgliederversammlung

03./04.11.2023 in Innsbruck, https://www.bergrettungsaerztetagung.at

Trailrunning, Skibergsteigen, Bergwandern – sportmedizinische Weiterbildung

20.–22.09.2023 im Pitztal, sporttraumatologie@sozialstiftung-bamberg.de

Auch wenn es noch etwas hin ist, so möchte ich doch bereits jetzt auf die Bergrettungsärztetagung am 3./4.11. in Innsbruck hinweisen, im Rahmen derer wir traditionsgemäß die Mitgliederversammlung und auch die Wahl der Vorstandschaft durchführen werden. Jeder ist sehr herzlich eingeladen! Alle weiteren Veranstaltungstermine sind im Infokasten Termine aufgeführt.

Unmittelbar vor Redaktionsschluss haben wir die traurige Nachricht erhalten, dass Prof. Dr. Franz Berghold, einer der Urväter und Gründer der Höhenmedizin-Kurse und ehemaliger Präsident der ÖGAHM, am 30. April nach schwerer Krankheit verstorben ist. Die BExMed ist in Gedanken bei den Hinterbliebenen und wünscht Ihnen viel Kraft in dieser schweren Zeit. Ein Nachruf folgt in der kommenden Ausgabe.

Auch wenn die Vereinsmitteilungen mit dieser traurigen Nachricht enden, so wünscht die Vorstandschaft doch einen erfolgreichen Start in die Frühjahrssaison und umso mehr stets gesunde Rückkehr.

Es grüßt die gesamte Vorstandschaft!

Euer/Ihr

Raimund Lechner

BEXMED-FORSCHUNGSFÖRDERUNG 2022

Hands-on-Techniken für multimodales Neuromonitoring in der Höhenmedizin

Hintergrund

Höhenkrankheiten entwickeln bis zu 85 % der mehr als 100 Mio. Menschen, die jedes Jahr in große Höhen reisen [1], [2]. Die akute Höhenkrankheit (AMS) und das Höhenhirnödem (HACE) sind durch neurologische Symptome charakterisiert und potenziell lebensbedrohlich [3]. Einige Studien deuten auf einen zugrunde liegenden erhöhten Hirndruck (ICP) durch ödematöse Hirnschwellung als Ursache hin [3]–[5].

Auch Mechanismen der vaskulären Anpassungs- und Reservemechanismen unter hypobarer Hypoxie könnten von Bedeutung sein, welche u. a. anhand des Pulsatilitätsindex (PI) [6] oder der zerebralen vasomotorischen Reaktivität (CVR) messbar sind [7].

In dieser Studie sollen in der klinischen Neurologie etablierte Hands-on-Techniken in der Höhenmedizin umgesetzt werden. Wir werden, soweit wir wissen, das erste multimodale Neuromonitoring in großer Höhe durchführen, indem wir die transorbitale und transkraniale (Duplex-)Sonografie kombinieren. Das Ziel ist es, leicht reproduzierbare, praxisnahe Techniken für den Einsatz zur Risikostratifikation und Bewertung der Krankheitsschwere vom AMS bis hin zum HACE zu erproben. Zuletzt wird auch die Frage nach dem besten Zeitpunkt zur Umkehr, den Aufstieg zu unterbrechen oder die Expedition fortzusetzen behandelt.

Methoden

Die Studie wird in einem prospektiven Studiendesign auf einer Höhe von 4559 m auf der Capanna Regina Margherita (Italien) durchgeführt. Eine Untergruppe von Bergsteigern, welche bereits am Ausganspunkt oder auf der Zwischenstation (Rifugio Giovanni Gnifetti, 3625 m) einwilligen, werden bereits dort vor bzw. während dem Aufstieg untersucht (Ausgangsdaten).

Die Studienvisiten erfolgen im Zeitfenster von 0–4 sowie 18–24 h nach dem Aufstieg und fakultativ am Ausgangspunkt oder auf der Zwischenstation sowie im Follow-Up nach 3, 8 und 11 Tagen. Bei jedem Probanden wird neben den sonografischen Untersuchungen ein klinischer Fragebogen und zu jeder Studienvisite ein neurologischer Status, eine Pulsoxymetrie sowie eine Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprüfung (d2-Test [8], MOCA [9]) erhoben. Die Beurteilung der Schwere einer zuvor klinisch diagnostizierten AMS erfolgt mittels des Lake-Louise-Scores [10]. Anzeichen einer Enzephalopathie, denen Symptome der AMS vorausgingen, werden als HACE gewertet [4], [11].

Zur nichtinvasiven Beurteilung des ICP erfolgt die Messung des Sehnervenscheidendurchmessers (Optic Nerve Sheath Diameter, ONSD) mittels der transorbitalen Sonografie (TOS) [12]–[15]. Im transkranialen Ultraschall (TCD) und der Duplexsonografie der proximalen A. cerebri media werden neurovaskuläre Flussgeschwindigkeiten und der PI bestimmt [6], [16]. Die zerebrale vasomotorische Reaktivität (CVR) wird nach klinischem Standard mithilfe des „breath-holding-test“ im Rahmen des transkranialen Ultraschalls der proximalen A. cerebri media gemessen [7], [17]. Der Ultraschall erfolgt beidseitig dreimalig. Die anschließende Auswertung und Mittelung der Werte erfolgt durch einen verblindeten Rater.

Diskussion

In diesem Projekt möchten wir ein multimodales Neuromonitoring „at bedside“ validieren, welches in der Routine von Hochgebirgsexpeditionen eingesetzt werden kann. Wir vermuten, dass anhand von Neurosonografie der ICP sowie vaskulären Anpassungs- und Reservemechanismen unter hypobarer Hypoxie indirekt zu visualisieren sind und anhand dessen, Einfluss- und Risikofaktoren für einen erhöhten ICP und den damit verbundenen Symptomen zu detektieren sind. Die Ergebnisse könnten eine Fokussierung auf bestimmte Einflussfaktoren oder Untersuchungen während der Expedition gewährleisten. Auch ist eine Erarbeitung von „high risk constellations“ präventiv möglich.

Letztendlich haben eine frühzeitige Erkennung und Risikostratifikation von Höhenkrankheiten das Potenzial, eine Verzögerung der Behandlung und somit das Entstehen von Komplikationen zu vermeiden.

Madlaine Müller 1, 2, Thomas Küpper3

1 Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Schweiz;

2 Graduate School for Health Sciences, Universität Bern, Schweiz

3 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen

ALPINMEDIZINISCHES ALLERLEI

Reisedurchfall: Diagnostik, Therapie und Prävention

Durchfälle und andere gastrointestinale Beschwerden sind neben Sonnenbrand und Mückenstichen die häufigsten Gesundheitsstörungen während eines Auslandsaufenthalts. Diarrhö ist auch das häufigste Leitsymptom importierter Infektionskrankheiten bei Tropen-

rückkehrern. Hierbei handelt es sich meist um sogenannte Reisediarrhöen mit unkompliziertem und selbstlimitierendem Verlauf.

Kontakt

Prof. Dr. Tomas Jelinek

Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin

Friedrichstr. 134, 10117 Berlin

E-Mail: jelinek@bctropen.de

URL: www.bctropen.de



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. Juni 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany