Z Sex Forsch 2023; 36(02): 66-75
DOI: 10.1055/a-2055-3160
Originalarbeit

Nutzung und Bewertung von Verhütungsinformationen in Sozialen Medien: Eine Interviewstudie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Use and Evaluation of Contraceptive Information in Social Media: An Interview Study with Adolescents and Young Adults
Nicola Döring
Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft, Technische Universität Ilmenau
,
Stephan Lehmann
Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft, Technische Universität Ilmenau
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Zusammenfassung

Einleitung Jugendliche und junge Erwachsene beziehen Informationen über Methoden der Schwangerschafts- bzw. Zeugungsverhütung heute oft aus dem Internet und insbesondere aus Sozialen Medien wie YouTube, Instagram oder TikTok.

Forschungsziele Bislang ist jedoch kaum untersucht worden, wie diese Nutzung von Social-Media-Verhütungsinformationen bei jungen Menschen im Einzelnen beschaffen ist (Forschungsfrage 1). Unklar ist auch, wie junge Menschen verhütungsbezogene Beiträge (F2) und zugehörige Publikumskommentare (F3) bewerten und welche Anforderungen sie an eine gute Verhütungsaufklärung in Sozialen Medien stellen (F4).

Methoden Zur Beantwortung dieser vier Forschungsfragen wurde im Jahr 2022 eine präregistrierte qualitative Interviewstudie durchgeführt. Dabei wurde eine Stichprobe von N = 12 cisgeschlechtlichen heterosexuellen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (17 bis 25 Jahre, 50 % weiblich und 50 % männlich) im Zuge von Leitfaden-Interviews (durchschnittliche Dauer: 39 Minuten) befragt. Die Interviews wurden vollständig transkribiert und mit der qualitativen Datenanalyse-Software MAXQDA codiert.

Ergebnisse Es zeigte sich, dass die Befragten in Sozialen Medien kaum gezielt nach Verhütungsinformationen suchten, sondern diese hauptsächlich im Push-Modus zugespielt bekamen, was dann aber zu weiterer Informationssuche anregen konnte (F1). Die Befragten bewerteten Verhütungsbeiträge in Sozialen Medien vor allem dann positiv, wenn diese von Fachleuten stammten und eine hohe Informationsqualität aufwiesen (F2). Die Publikumskommentare zu den Verhütungsbeiträgen wurden als interessant und relevant eingestuft, allerdings ließen sich die Befragten nach eigenen Angaben durch diese kaum in ihren verhütungsbezogenen Einstellungen beeinflussen (F3). Als ideale Verhütungsaufklärung in Sozialen Medien wünschten sich die Befragten zielgruppengerecht aufgearbeitete Erklärvideos von Fachleuten, die verschiedene Verhütungsmethoden vergleichen und in die auch authentische positive wie negative Erfahrungsberichte von Peers integriert sind (F4).

Schlussfolgerung Aus den Befunden ergibt sich der Bedarf, Verhütungsaufklärung entsprechend der dargelegten Anforderungen in Sozialen Medien bereitzustellen. Auch sollte ein kritisch-konstruktiver Umgang mit Social-Media-Verhütungsinformationen in sexualpädagogischen Maßnahmen aufgegriffen werden.

Abstract

Introduction Adolescents and young adults today often obtain information about contraception from the internet and in particular from social media such as YouTube, Instagram, or TikTok.

Objectives To date, however, little research has examined the details of this use of social media contraceptive information among the youth (Research Question 1). It is also unclear how young people evaluate contraception content (RQ2) and related audience comments (RQ3), and what their requirements are with regard to good contraception education on social media (RQ4).

Methods In order to answer these four research questions, a preregistered qualitative interview study was conducted in 2022. This involved a sample of N = 12 cis-gendered heterosexual adolescents and young adults (17 to 25 years old, 50 % female and 50 % male) being questioned by means of guided interviews (average duration: 39 minutes). The interviews were fully transcribed and coded using the qualitative data analysis software MAXQDA.

Results It was found that respondents rarely actively searched for contraceptive information on social media, but rather were mainly fed this information in push mode which could then stimulate further information searches (RQ1). Respondents rated contraception content on social media especially positively when it came from experts and had a high level of information quality (RQ2). Audience comments on contraceptive posts were regarded as interesting and relevant, but respondents said they were unlikely to be influenced by these in their contraception-related attitudes (RQ3). In the view of the respondents, contraceptive education on social media ideally takes the form of explanatory videos by experts which compare different contraceptive methods and in which authentic reports by peers regarding positive as well as negative experiences are also integrated (RQ4).

Conclusion The findings indicate a need to provide contraception education on social media in accordance with the requirements outlined. Also, a critical-constructive approach to social media contraceptive information should be adopted in sexual education interventions.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. April 2023

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