PSYCH up2date 2023; 17(06): 473-492
DOI: 10.1055/a-2057-5115
Schizophrenien und andere psychotische Störungen

Schizophrenie im Alter

Detlef Wietelmann

Die Diagnosestellung der Schizophrenie im Alter ist im Vergleich zu jüngeren Patienten komplexer und mit größeren Unsicherheiten behaftet, was auch das Akronym der VLOSLP (very late-Onset Schizophrenia-like Psychosis) zeigt. Psychiatrische und somatische Kenntnisse über Differenzialdiagnosen, diagnostische Verfahren und Besonderheiten der pharmakologischen Behandlung im Alter helfen, um dieser Patientengruppe gerecht zu werden.

Kernaussagen
  • Die Erstmanifestation einer Schizophrenie ist zu jedem Zeitpunkt des Lebenszyklus und damit auch im Alter über 60 Jahre als „very late-Onset Schizophrenia-like Psychosis“ (VLOSLP) möglich.

  • Unter den Schizophrenien im Alter ist die VLOSLP eher selten, überwiegend handelt es sich in dieser Altersgruppe um Patienten mit früherem Krankheitsbeginn.

  • Die VLOSLP lässt sich weder klinisch noch durch Zusatzdiagnostik sicher von früher begonnenen Schizophrenien abgrenzen.

  • Psychosen im Alter werden in 40–60% durch organische Erkrankungen verursacht.

  • Wegen spärlicher Evidenz lehnt sich die medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie an die Empfehlungen bei der „early-Onset Schizophrenia“ an.

  • Antipsychotika sind auch bei der VLOSLP wirksam. Sie sollten mit 25–50% der Startdosis jüngerer Patienten begonnen, langsamer hochtitriert und in der niedrigsten effektiven Dosis eingesetzt werden. Atypika ohne anticholinerge Nebenwirkungen sollten bevorzugt werden.

  • Es wird empfohlen, die antipsychotische Medikation in ihrer Wirkung auf Zielsymptome und auf Nebenwirkungen regelmäßig zu prüfen. Im Krankheitsverlauf sind aufgrund von altersbedingten Veränderungen und der häufigen Komorbidität und Komedikation Dosisanpassungen und ggf. Medikamentenwechsel notwendig.

  • Da präklinische neurodegenerative Erkrankungen psychotische Symptome verursachen können bzw. primär psychotische Störungen mit erhöhtem Demenzrisiko einhergehen, werden Screeninguntersuchungen des kognitiven Status bei Psychosen im Alter empfohlen.

  • Die VLOSLP ist im Vergleich zu Gesunden mit ca. 3-fach erhöhter Mortalität assoziiert, die hauptsächlich durch komorbide körperliche Erkrankungen und Unfälle zustande kommt.

  • Patienten mit Spätschizophrenien profitieren sehr wahrscheinlich von sorgfältigem Screening auf komorbide psychiatrische und körperliche Erkrankungen und deren konsequenter Behandlung.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
03. November 2023

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