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DOI: 10.1055/a-2065-3635
Tapfere neue Notfallmedizin[1]
Wie gesellschaftliche Veränderungen die Notfallversorgung gefährdenSeit Jahren gilt die Notfallversorgung selber als Notfall und benötigt dringend eine Reform. Hierzu haben eine Überinanspruchnahme des Notfallsystems und strukturelle Fehlanreize beigesteuert. Patienten mit Bagatellerkrankungen verstopfen mittlerweile viele Notaufnahmen, da sie bei den ambulanten Fachärzten zeitnah keinen Termin bekommen und/oder ein erhöhtes Anspruchsdenken für eine sofortige Klärung einer möglicherweise schon länger andauernden Beschwerde besteht. Die Lücke zwischen persönlichem Bedürfnis und Bedarf wird vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen weiter auseinanderklaffen und auch zu Schäden führen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen zum Eintreffen des Rettungsdienstes oder des Notarztes können vielerorts nicht mehr eingehalten werden.
In den letzten Jahren ist ein neues Phänomen hinzugekommen: Zentrale Notaufnahmen (ZNA) und Krankenhäuser, insbesondere psychiatrische Einrichtungen, werden verstärkt zur Verwahrung verhaltensauffälliger, oft aggressiver Personen genutzt. Allerorts besteht der Eindruck, dass die Menschen enthemmter werden und gewalttätiges Verhalten, auch gegen Tätige im Rettungswesen, zugenommen hat. Eine echte Zunahme von Gewalt in der Gesellschaft ist bislang nicht zu verzeichnen [1], jedoch geht die Gesellschaft viel sensibler mit ihr um und jegliche Form wird pathologisiert. Da erscheint es nicht verwunderlich, dass gewalttätige Personen den ZNA und Kliniken zugewiesen werden. Anhaltende Fehlzuweisungen dieser Personen gefährden aber die Notfall- und die psychiatrische Versorgung, wie nachfolgend an einer aktuellen Studie gezeigt wird.
1 Ein Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Jordan.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
07. August 2023
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Georg Thieme Verlag KG
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Literatur
- 1 Bliesener T. kriminologisches Institut Niedersachsen. BDK-Tagung, Emmendingen. Vortrag am 21.01.2021